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Kaylee

Kaylee

Titel: Kaylee
Autoren: R Vincent
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blutete. Sie tropfte die ganze Decke voll.
    „Hilfe!”, rief ich. Die ersten Worte, seit diese ganze Sache vor wenigen, endlosen Minuten angefangen hatte.
    „Ich brauche Hilfe!” Meine Stimme klang komisch. Irgendwie undeutlich. Warum fiel mir das Sprechen so schwer? Warum fühlte ich mich so seltsam? Als bewege sich alles in Zeitlupe. Als wäre mein Kopf in Watte gepackt.
    Schnelle Schritte dröhnten über den Flur, und die Zimmertür flog auf. „Was ist passiert?” Schwester Nancy stürmte ins Zimmer, zwei Angestellte zur Verstärkung im Schlepptau.
    „Sie …” Ich blinzelte und versuchte verzweifelt, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. „Sie hat zu viel abbekommen …” Zu viel wovon? Die Antwort lag zum Greifen nahe, doch ich konnte nicht klar denken, sie nicht formulieren.
    „Wovon?” Schwester Nancy beugte sich über das Mädchen auf meinem Bett – Lisa? Leah? – und hob ihre Augenlider an. „Bringt sie hier raus!”, schrie sie und deutete auf mich. „Und holt eine Trage. Sie krampft.”
    Eine der Schwester führte mich aus dem Zimmer. „Warte im Aufenthaltsraum”, sagte sie und rannte los.
    Langsam lief ich den Flur hinunter, eine Hand gegen die Wand gestützt, und kämpfte gegen die Verwirrung an, die mich gefangen hielt. Ich plumpste in den erstbesten Stuhl, den ich finden konnte, und schlug die Hände vors Gesicht. Ich konnte nicht denken. Mich nicht erinnern …
    Um mich herum hörte ich Stimmen und Satzfetzen, auf die ich mir keinen Reim machen konnte. Namen, die ich nicht wiedererkannte. Also klammerte ich mich an das Einzige, das mir vertraut erschien: ein Puzzle, das auf dem Tisch neben dem Fenster auslag. Das war mein Puzzle. Ich hatte es angefangen, bevor diese schlimme Sache angefangen hatte. Bevor …
    Kalte Hände. Dunkler Nebel. Geschrei. Blut.
    Als ich das dritte Puzzleteil anlegte, rollten zwei Schwestern eine Trage an mir vorbei. „Noch eine?”, fragte der Sicherheitsmann, der die Tür aufhielt.
    „Die hier atmet noch”, erwiderte die Schwester.
    Die hier? Je angestrengter ich in meinem Gedächtnis kramte, desto verschwommener wurden die Bilder.
    Ich hatte gerade erst zwei weitere Teile ausgelegt, als jemand meinen Namen rief. Es war Onkel Brendon. Er stand neben Judy, einer der Schwestern – so viel wusste ich noch –, an der Tür, meinen Koffer in der Hand.
    „Kaylee?” Onkel Brendon runzelte besorgt die Stirn. „Bist du so weit? Kommst du mit nach Hause?”
    Ja! Soweit konnte ich noch denken. Aber in meine Freude mischten sich Traurigkeit und Schuldgefühle. Etwas Schlimmes war geschehen. Etwas, das mit dem Mädchen auf meinem Bett zu tun hatte. Doch ich wusste nicht mehr, was es war.
    Nachdem wir die elektronisch verriegelte Tür hinter uns gelassen hatten, blieb ich noch einmal stehen. Vor dem Aufzug stand eine Trage, auf der völlig bewegungslos ein dunkelhaariges Mädchen lag. Zwei Männer beugten sich über sie, einer bediente den Beatmungsbeutel über ihrer Nase. Die Wange des Mädchens war blutverschmiert. Obwohl ich ihre Augen nicht sehen konnte, glaubte ich mich zu erinnern, dass sie hellgrün waren.
    „Kennst du sie?”, fragte Onkel Brendon. „Was ist mit ihr passiert?”
    Als die Antwort aus meinem umnebelten Gehirn aufstieg, bekam ich eine Gänsehaut. Vielleicht würde ich eines Tages herausfinden, was es zu bedeuten hatte, aber in dem Moment wusste ich nur, dass es die Wahrheit war.
    “Sie hat zu viel abbekommen.”
     

Ob Kaylee jemals verstehen wird, was geschehen ist?
    Sie muss wieder schreien, doch dieses Mal ist es anders …
    in “Soul Screamers 1: Mit ganzer Seele”!
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