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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire
Autoren: Michel Houellebecq
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glich die ganze Gegend mit ihren
Hochöfen, Abraumhalden, stillgelegten Bahngleisen, auf denen Güterwagen
endgültig verrosteten, und Siedlungen mit blitzsauberen, identischen kleinen
Häusern, die manchmal über einen kleinen Gemüsegarten verfügten, einem Museum
für das erste Industriezeitalter in Europa. Jed war damals beeindruckt von den
bedrohlich dichten Wäldern, die nach knapp hundert Jahren der Untätigkeit die
Fabriken umgaben. Nur jene, die ihrer neuen kulturellen Bestimmung angepasst
werden konnten, waren saniert worden, die anderen verfielen allmählich. Diese
industriellen Kolosse, in denen sich früher der Großteil der deutschen
Produktionskapazität konzentriert hatte, waren inzwischen verrostet oder halb
eingestürzt, Pflanzen nahmen von den ehemaligen Werkstätten Besitz,
überwucherten die Ruinen und verwandelten das Ganze nach und nach in einen
undurchdringlichen Dschungel.
    Die Werke, die Jed Martin in den
letzten Jahren seines Lebens schuf, können daher – das ist die Interpretation,
die einem unmittelbar in den Sinn kommt – als nostalgisches Nachsinnen über das
Ende des industriellen Zeitalters in Europa und über den vergänglichen
Charakter aller von Menschenhand gefertigten Dinge im Allgemeinen angesehen
werden. Diese Interpretation reicht jedoch nicht aus, um das Unbehagen zu
erklären, das uns beim Betrachten dieser kleinen, ergreifenden Playmobilfiguren
befällt, die sich inmitten einer riesigen, abstrakten futuristischen Stadt
verlieren, einer Stadt, die ihrerseits zerfällt, sich auflöst und nach und nach
in der pflanzlichen, sich bis ins Endlose hinziehenden Weite unterzugehen
scheint. Und sie erklärt auch nicht das Gefühl der Verzweiflung, das uns
überkommt, wenn die Bilder der Menschen, die Jed im Lauf seines irdischen Leben
begleitet haben, verwittern, sich zersetzen, in Fetzen auflösen und in den letzten
Videofilmen gleichsam zum Symbol der allgemeinen Vernichtung der
Menschengattung werden. Sie versinken, scheinen sich noch einen Augenblick lang
zu sträuben, ehe sie von sich überlagernden Pflanzenschichten erstickt werden.
Dann wird alles ruhig, und zurück bleiben nur sich im Wind wiegende Gräser. Die
Vegetation trägt den endgültigen Sieg davon.

D ANK
    Gewöhnlich brauche ich mich bei niemandem zu
bedanken, weil ich nur wenig recherchiere, im Vergleich zu amerikanischen
Autoren sogar sehr wenig. Aber im vorliegenden Fall hat die Polizei großen
Eindruck auf mich gemacht und mich neugierig werden lassen, und daher erschien
es mir nötig, diesmal etwas mehr als sonst zu tun.
    Somit gilt mein aufrichtiger Dank Teresa Cremisi,
die die erforderlichen Schritte unternommen hat, Henry Moreau, dem persönlichen
Referenten des Polizeipräsidenten, und Hauptkommissar Pierre Dieppois, die mich
freundlicherweise im Polizeipräsidium am Quai des Orfèvres empfangen und mir
viele nützliche Hinweise zu ihrem schwierigen Beruf gegeben haben.
    Es versteht sich von selbst, dass ich mir die
Freiheit genommen habe, Tatsachen in veränderter Form darzustellen, und dass
die von den Romanfiguren zum Ausdruck gebrachten Ansichten nur von ihnen selbst
zu verantworten sind; kurz gesagt, dass wir uns im fiktiven Rahmen eines Romans
bewegen.
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