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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Autoren: Eric Walz
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Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren
    Prolog
    Trient, 8. Oktober 1551, drei Tage vor Eröffnung des Konzils
    C arlotta hatte nur ein einziges Ziel: den Sohn des Papstes zu töten. Nur deswegen war sie von Rom nach Trient gereist, nur darum nahm sie dieses Leben als Hure noch auf sich, um den neunzehnjährigen Innocento, Kardinal Innocento, zu ermorden, und zwar auf eine Weise, dass sie selbst unentdeckt blieb. Manchmal träumte sie davon, wie sie den Jüngling, eingehüllt in einen weiten Umhang mit Kapuze, nachts verfolgte und ihm in einem günstigen Moment den Dolch in den Rücken jagte. Im Schlaf spürte sie die Genugtuung, ein Gefühl wie der Klang von tausend Glocken. Ja, manchmal träumte sie von Innocento, was erstaunlich war, denn sie kannte ihn überhaupt nicht.
    Mit ruhiger Hand goss sie ein wenig warmes Wasser in einem gleichmäßigen Strahl über die Füße ihres Kunden. Salvatore Bertani mochte das, er hatte es verlangt. Er räkelte sich auf seinem Bett und gab Laute von sich, die Wohlbefinden ausdrücken sollten, aber nicht von Geräuschen zu unterscheiden waren, die man bei Magenbeschwerden von sich gab. Seine zittrigen, mit kostbaren Ringen geschmückten Finger waren über der nackten Brust gekreuzt, so als würde er beten, und seine Augen waren geschlossen.
    »Ja«, murmelte er in das nur vom Kaminfeuer und einer Stundenkerze beleuchtete Zimmer. »Weiter so.«
    Sie massierte seine Füße, vor allem die Sohlen, wunschgemäß zuerst den linken, dann den rechten Fuß. Bertani hatte ihr alles haargenau erklärt, damit sie nichts falsch machte. Sie bediente ihn zum ersten Mal. Obwohl er oft in Rom gewesen war, war sie nie in seine Nähe gekommen, denn er hatte seine feste Konkubine gehabt, ein siebzehnjähriges Mädchen mit traurigen Augen und blauen Flecken, die sich wie eine Krankheit über ihren Körper verteilten. Sie hatte ihn kürzlich verlassen, war davongelaufen, was lange Gesprächsstoff unter den Huren der Ewigen Stadt gewesen war. Carlotta hatte ihren Namen vergessen, irgendetwas mit G, sie wusste das nicht mehr so genau. Mit ihren Kolleginnen hatte sie nie viel zu tun gehabt, denn im Gegensatz zu ihnen hatte Carlotta keine Beziehung zu ihrer Arbeit, sie spürte weder Leid noch Lust noch Gleichgültigkeit. Sie spürte nur Zorn. Der Zorn, der Hass, waren bei Tag und bei Nacht ihre Begleiter geworden.
    »Genug«, sagte Bertani.
    Carlotta schüttelte ihre schwarzen Haare und rieb damit seine Füße ab, ganz vorsichtig, so als streichle sie ein Kunstwerk. Bertanis Füße waren die eines ganz normalen Greises, mit verwachsenen Nägeln und vielen, buschigen Haaren auf den Knöcheln, aber Carlotta nahm keine Notiz davon. Sie hatte in den vier Jahren, seit sie Konkubine geworden war, ganz andere Dinge gesehen, dagegen war der rüstige alte Bertani ein Apoll. Was ihr Sorgen an ihm bereitete, hatte nichts mit seinem Aussehen zu tun, und sie wagte nur aus einem einzigen Grund, sich mit ihm einzulassen: Bertani würde ihr etwas verschaffen, das weit kostbarer für Carlotta war als das Geld, mit dem er sie für diese Nacht gekauft hatte.
    »Komm jetzt her«, befahl er. »Mach weiter.«
    Seine grauen Augen beobachteten Carlotta, während sie sich erhob und neben ihn vor das Bett kniete. Es war besprochen worden, dass sie jetzt die Hände faltete.
    »Gut so«, flüsterte er. »Nun siehst du brav aus wie ein kleiner Engel, obwohl du eine reife Frau bist, eine verdorbene Hure. Aber ich liebe reife verdorbene Frauen, nur die ganz jungen und unverdorbenen liebe ich mehr. Wie alt bist du? Antworte!«
    »Vierzig.«
    Er lachte. »Du bist alt. Aber dein langes Haar gefällt mir, es fühlt sich an wie weiche Schafwolle. Vielleicht mache ich dich zu meiner Dauergefährtin.«
    »Das möchte ich nicht«, erwiderte Carlotta.
    Seine Finger krallten sich in ihre Schultern, dass es schmerzte.
    »Diese Wahl hast du nicht. Du bist gut bezahlt worden.«
    »Für heute Abend, ja. Ab morgen seid Ihr wieder ein Bischof, und ich bin eine freie Frau.«
    Er lachte. »Ich könnte dich schlagen, das weißt du. Schlagen, bis du mir gehorchst.«
    Welchen Schmerz, dachte sie, könnte Salvatore Bertani ihr zufügen, der größer war als der Schmerz, den sie seit Jahren mit sich herumtrug?
    Er drückte ihr einen harten, leidenschaftslosen Kuss auf die Lippen, den sie geübt erwiderte. Bertani sah sie kurz an, prüfte, ob ihre Hände noch gefaltet waren, leckte sich zufrieden die Lippen und küsste sie erneut, genauso wie beim
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