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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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aufgenommen werden? Schließlich würden die anderen schnell merken, dass ich zwei Kriterien nicht erfüllte. Würde ich dadurch auf Ablehnung oder Widerstände stoßen? Wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehörigen Respekt. Wie sich herausstellte, waren meine Sorgen unbegründet. Wie es schien, war ich die Einzige, die dachte, damit Probleme zu bekommen. Im Gegenteil, mir wurde große Wertschätzung entgegengebracht. Durch Vorstellungsrunden und entsprechende Gruppenarbeiten lernten wir uns untereinander ziemlich schnell näher kennen. Immer wieder wurden wir gezwungen, uns zu öffnen und uns mit der ganzen Persönlichkeit einzubringen. Verstecken ging nicht. Des Weiteren ging es darum, sich zu beobachten, im Umgang mit den anderen und mit sich selbst. Auch hier, wie in der Woche vorher, war Selbsterkenntnis und -erfahrung angesagt. Die Impulse wurden natürlich anders gesetzt, weniger geistlich, deutlich weltlicher. Doch bei vielen Äußerungen fühlte ich mich an ähnliche Impulse aus den Exerzitien erinnert. Hier wie dort stand der Mensch mit seiner ganz eigenen Wirklichkeit im Mittelpunkt. Virginia Satir, eine der bedeutendsten Begründerinnen der Familientherapie, brachte es so zum Ausdruck:
     
    »Ich will Dich lieben, ohne Dich festzuhalten,
    will mir ein Urteil bilden, ohne zu verurteilen,
    will Dir nahe sein, ohne Dich einzuengen,
    will Dich ermutigen, ohne Dich zu überfordern,
    will von Dir gehen, ohne Schuldgefühle,
    will an Dir Kritik üben, ohne Dich zu verletzen,
    und will Dir helfen, ohne Dich abhängig zu machen.
    Wenn ich dasselbe von Dir erwarten kann,
    dann können wir uns wirklich begegnen
    und einander bereichern.«
     
    Am Ende des Seminars gab es eine obligatorische Feedbackrunde. Wir wurden gebeten, unseren persönlichen Standpunkt nach den Tagen wiederzugeben. Als ich an der Reihe war, sagte ich aus tiefster Überzeugung: »Nach diesem Seminar weiß ich, dass die Ausbildung für mich genau das Richtige ist. Dass ich diesen Weg gewählt habe, dafür bin ich zutiefst dankbar.« Und ich war Hans-Jakob dankbar, der mich auf diese Idee gebracht hatte und mir vor allem mit seinem Zuspruch Kraft und Mut gegeben hatte. In solchen Momenten fragte ich mich schon, ob ich ohne meine Pilgerwanderung einen Schritt wie diesen gegangen wäre.
    Im November fiel ich in ein tiefes Loch. Trotz der Euphorie über die Erlebnisse im Oktober verspürte ich schnell Unzufriedenheit und Ungeduld. Meine innere Unruhe nahm wieder zu, ich fühlte mich unter Druck. Mein Vertrauen und die Zuversicht, die innere Ruhe, die ich durch und nach dem Jakobsweg entwickelt hatte, schienen sich mehr und mehr zu verflüchtigen. Warum nur? Das Existenzgründungsseminar hatte begonnen. Jeden Tag musste ich nun von 9 bis 16 Uhr bei der IHK die Schulbank drücken. Das war an sich nicht schlimm, im Gegenteil, strukturierte Tage gefallen mir, auch die Inhalte waren zum größten Teil in Ordnung. Das Seminarangebot sollte das notwendige Wissen für die erfolgreiche Gründung einer beruflichen Selbstständigkeit vermitteln. Die Gruppe sollte für den Umgang mit Versicherungen, dem Finanzamt und den Banken fit gemacht werden. Die speziellen Anforderungen, die ein Unternehmer zu erfüllen hat, wurden uns vor Augen geführt und deren Umsetzung gezeigt. Das meiste davon kannte ich und wusste auch um die Notwendigkeit, hatte vieles davon schon vor langer Zeit einmal gelernt. Trotzdem war die Auffrischung gut. Nach meiner Ausbildung hatte ich immer in großen Firmen gearbeitet, in denen es selbstverständlich Abteilungen für die verschiedenen Aufgabenbereiche gab. Natürlich kannte ich die Grundlagen der Buchführung, aber selbst buchen? Auch meine Reisekosten hatte ich immer brav zusammengestellt und dann abgegeben. Was dann auf welchem Konto zu verbuchen war, brauchte ich nicht zu wissen. Klar war ich privat optimal versichert, aber welche Versicherungen für ein Unternehmen notwendig waren, darüber konnte ich nur staunen. Bei bianca hatte ich mich in der Hinsicht um nichts kümmern müssen. Dazu kamen die Anforderungen von Vater Staat; blickte ich als Privatfrau manchmal schon nicht durch, jetzt schlackerten mir die Ohren. Auch wenn es manchmal sehr trocken war, es war hilfreich. Richtig interessant wurde es sogar, wenn es um die Platzierung der eigenen Unternehmensidee ging. Es wurden die klassischen Instrumente des Marketing besprochen. Hier war ich in meinem Element und konnte meine Erfahrung aus den über sechs Jahren, in denen ich als
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