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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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Spiritualität. Der Wald endete plötzlich, und vor uns schlängelte sich ein Feldweg durch neu eingesäte Felder. Susanne erzählte von ihrem Wunsch, irgendwann einmal den Camino zu gehen. Da ich überhaupt nicht wusste, was es damit auf sich hatte, beschrieb Susanne mit der so für sie eigenen Lebendigkeit diesen uralten Pilgerweg, dessen letzte Hauptroute quer durch Nordspanien von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela führt, der sogenannte Camino Francés. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus; welche Bedeutung der Weg für sie habe, warum sie ihn unbedingt gehen möchte und dass sie es bisher aufgrund der fehlenden Zeit, aber auch aus Respekt vor der Hitze noch nicht in die Tat umgesetzt hat. Ihre Begeisterung riss mich mit. Vor allem die Vorstellung, so intensiv mit sich allein sein zu können, lockte mich sehr. Der Abstand vom Alltag, um sich selbst neu zu erfahren - welch eine Herausforderung. Ich war berührt, beeindruckt und tief in mir klang etwas an...
    Noch in der gleichen Woche kaufte ich ein Buch, um mehr zu erfahren. Es war das Pilgertagebuch von Andrea Schwarz »Die Sehnsucht ist größer«. Dass ich ausgerechnet dieses auswählte, war alles andere als ein Zufall, nichts im Leben ist Zufall. Dieser sehr persönliche Reisebericht von Andrea Schwarz ist voller Schönheit und Klugheit. Er begeisterte mich und wühlte mich auch auf. Nach der Lektüre stand für mich fest, dass ich diesen Weg gehen würde. Nur wann!? Fünf oder sechs Wochen Urlaub konnte ich mir in meinem Job einfach nicht erlauben. Ich war in der Geschäftsleitung unseres Familienunternehmens in meiner Heimatstadt Ochtrup, nicht weit von Münster entfernt, tätig. Wir entwickeln und produzieren Damenoberbekleidung im mittleren Preissegment und gehören in der deutschen Bekleidungsindustrie zu den größeren Herstellern. Ich hatte Vorbildfunktion. Für die Mitarbeiter in meinem Verantwortungsbereich, der Produktentwicklung, wäre es auch nicht möglich, sich für vier oder mehr Wochen in die Ferien zu verabschieden. Trotzdem, den Camino in Etappen zu gehen, kam für mich auf keinen Fall in Frage. Ich wollte die Magie und Einzigartigkeit des Pilgerns, dieses Loslassen von allem und jedem über einen längeren Zeitraum, genauso erleben.
    Das Buch löste aber noch etwas anderes in mir aus. Andrea Schwarz und ihre Motivation zu pilgern, das was der Weg in ihr auslöste und wie sie es beschrieb, brachten in mir Empfindungen zum Klingen, die mich zum einen sehr verunsicherten, zum anderen aber etwas in mir freisetzten. Mich hatte die Sehnsucht gepackt.
    Etwa einen Monat nach dem Spaziergang trennte sich mein Freund nach über fünf gemeinsamen Jahren von mir. Besser gesagt: Ich trennte mich, nachdem er zu mir gesagt hatte: »Ich habe dich lieb, aber ich kann nicht richtig Ja sagen, etwas hält mich ab.«
    Für .mich brach eine Welt zusammen, in der folgenden Zeit litt ich sehr. Wieder war meine Sehnsucht nach einer vertrauensvollen Partnerschaft und der Wunsch nach Kindern in weite Ferne gerückt. Stundenlang zermarterte ich mir meinen Kopf darüber, was ich falsch gemacht hatte, warum er mich nicht so lieben konnte, dass er bei mir blieb. Was störte ihn an mir? Was hätte ich tun können? War ich zu fordernd gewesen, mit meinem Wunsch nach Klarheit? Dann wieder verfluchte ich ihn, weil er mir nicht früher etwas gesagt hatte. Ich fühlte mich um diese fünf gemeinsamen Jahre betrogen, ich fühlte mich mit meinen achtunddreißig Jahren unendlich alt! Nach außen zeigte ich meinen Schmerz kaum, aber in meinen eigenen vier Wänden verbrachte ich viele Stunden mit dem Gefühl grenzenloser Einsamkeit. Gerade die alltäglichen Dinge überforderten mich. Das sonntägliche Frühstücken mit Brötchen und Zeitung noch im Schlafanzug, das ich bisher als so gemütlich empfunden hatte, löste in mir Heulkrämpfe aus. Abends weinte ich mich in den Schlaf und hatte wirre Träume. Ich stellte mir so viele Fragen: Welchen Sinn hat mein Leben? Was will ich wirklich? Bin ich zufrieden? Wo sind meine Träume geblieben? Bin ich eine von den Frauen, die an ihrem Beruf kleben bleiben und irgendwann alt und verbittert sein würden? Davon gibt es gerade in der Modebranche genug. Frauen, die perfekt gestylt sind und immer den neuesten Trend tragen. Die Frauen, die die »Vogue«, die »Elle« und die »Textilwirtschaft« wie die Bibel lesen und außer ihrem Mikrokosmos Mode nichts mehr sehen. Die Frauen, deren gesamter Tagesablauf sich nur noch um den Job
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