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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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früher. Ich freute mich, genüsslich und in aller Ruhe durch die Adventsausstellung beim Gärtner zu schlendern. Nicht eine Spur der früheren Hektik, die sonst besonders im November und Dezember in meinem Inneren hochkochte, kam zutage. Ich musste mich nicht mit Lieferanten herumschlagen, die die Musterstoffe nicht rechtzeitig lieferten und uns dadurch in der Kollektionsfertigstellung nach hinten warfen. Ich brauchte nicht zwischen den einzelnen Abteilungen zu vermitteln, weil die Kollektionsmodelle noch nicht so weit waren, wie geplant. Oder, oder, oder...
    Ich dachte sehr oft mit einer Mischung aus unterschiedlichsten Gefühlen an meine ehemaligen Kollegen. Eine Portion schlechtes Gewissen war immer noch vorhanden. Mich nicht mehr verantwortlich zu fühlen, war eben nicht so einfach abzustellen. Auch ein wenig Bedauern war dabei, dass ich nicht länger Teil der bianca-Gemeinschaft war. Es gab so viele liebe Menschen, die mir während all der Jahre wohlvertraut geworden waren, die ich jeden Tag gesehen hatte und die nun nicht länger zu meinem Alltag gehörten. Manchmal fehlte mir der fest strukturierte Tagesablauf, den mein Job mir vorgegeben hatte. Es gab während der Woche kein tägliches Mittagessen mehr bei meinen Eltern, keine Mama, die mein Lieblingsessen kochte. Ich schwankte hin und her zwischen den wechselhaften Gefühlen, die das Gestern und das Heute in mir auslösten. Letztendlich blieb es aber dabei, ich stand zu meinen Entscheidungen. Die Freiheit, die ich gewonnen hatte, wog die Ungewissheit auf. Meine eigenen Interessen sollten im Vordergrund stehen, dafür war ich bereit Risiken einzugehen. Der Jakobsweg hatte mich gelehrt, dass Freiheit bedeutet, zu sehen und zu hören, was ist, und nicht, was war, was sein sollte oder einmal sein könnte.
    Während des Existenzgründungsseminars hatte ich nicht ins Hospiz gehen können. Jetzt war ich wieder regelmäßig einmal in der Woche dort. Bei Engpässen sprang ich hin und wieder zusätzlich ein. Ich freute mich immer sehr auf diese wenigen Stunden, auch wenn es manchmal sehr schwer war. Nicht immer gelang es mir, die Bewohner und ihre ganz persönliche Geschichte nicht als belastende Gedanken mit nach Hause zu nehmen. So wuchs mir eine Bewohnerin und vor allem ihre Tochter sehr ans Herz. Es war für mich bedrückend, wenn ich spürte, nicht die richtigen Worte gefunden zu haben. Ich wollte so gern alles richtig machen. Es war ein permanenter Lernprozess für mich. Dennoch überwog die Freude dort hinzugehen. Ich kam unter Menschen, wurde gebraucht und respektiert. Es war ein guter Ausgleich zu den vielen Stunden, die ich am Schreibtisch allein in der Wohnung verbrachte.
    Ich schrieb nach wie vor an meinem Buch und erstellte zeitgleich ein Gründungskonzept. Dieses war die Voraussetzung dafür, einen Zuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu bekommen. Die Geschäftsidee zu formulieren, also mein Konzept zu schreiben, machte riesigen Spaß. Es forderte mich aber auch sehr heraus. Unternehmensberatung, darunter konnte man so vieles verstehen. Was wollte ich denn als Unternehmensberaterin leisten? Wollte ich wirklich nur Unternehmen beraten? Was war mit Einzelpersonen? Wen wollte ich überhaupt ansprechen? Sollte ich mich auf eine bestimmte Branche konzentrieren? Welche Schwerpunkte wollte ich setzen? Wie viel Persönlichkeit sollte ich zeigen? Welche meiner Erfahrungen waren besonders gefragt? Ich verbrachte viel Zeit damit, meine Gedanken zu sammeln, sie zu ordnen und in Worte zu fassen. Doch irgendwann war es soweit: Ich wollte mich zukünftig am Markt als systemische Beraterin mit den Schwerpunkten Beratung, Coaching und Entwicklung von Führungskräften etablieren.
    Dabei wollte ich mein Hauptaugenmerk auf die Themen der Unternehmenskultur, des Veränderungsmanagements, der Menschenführung und der Persönlichkeitsentwicklung richten. In meiner zukünftigen Arbeit wollte ich den Menschen in seiner gesamten Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellen. Meine Hauptklientel sah ich bei Familienunternehmen mit ihren vielfältigen Besonderheiten - hier kannte ich mich aus eigener Erfahrung bestens aus. Bei der Entwicklung von Führungskräften wollte ich den Schwerpunkt auf Frauen setzen, auch hier konnte ich meine langjährige Erfahrung einsetzen. Der Gründungszuschuss wurde Ende Januar bewilligt. Das bedeutete, der Startschuss für meine Selbstständigkeit war gefallen.
    Nun war ich offiziell selbstständig und fühlte mich überhaupt nicht
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