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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde
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    Pein. Das war alles, wofür in meinem Bewusstsein Platz war, als ich erwachte. Grelle, erbarmungslose Pein, die meinen Schädel ausfüllte und eine glühende Bahn aus purer Qual bis weit in den Nacken und die Schultern hinabzog. Ich registrierte mit seltener Klarheit, dass ich bewusstlos gewesen und nun wieder erwacht war. Und trotz des grausamen Pochens in meinem Hinterkopf erinnerte ich mich genau an den Alptraum, der mich während meiner Bewusstlosigkeit gequält hatte; ein brodelnder Schmerztiegel der unterschiedlichsten Emotionen und Bilder, die nur eines gemeinsam gehabt hatten: Sie waren allesamt unerträglich.
    Trotzdem wünschte ich mir in diesem Moment nichts mehr, als wieder das Bewusstsein zu verlieren.
    Es war nicht das erste Mal, dass ich mit rasenden Kopfschmerzen erwachte – schließlich hatte ich eine lebenslange Karriere als Migräne-Spezialist hinter mir –, aber es war das mit Abstand schlimmste Mal. In den zahllosen Nächten, in denen ich von Migräneanfällen geplagt aufgewacht war, hatte ich mir eingebildet, dass es einfach nicht schlimmer kommen konnte, aber das stimmte nicht.
    Es konnte immer schlimmer kommen.
    Trotzdem war heute ... irgendetwas anders. Ich tauchte aus einem Sumpf aus brodelndem Schmerz und Benommenheit hinauf an die Oberfläche, aber anders als sonst lag ich nicht auf einem zerwühlten Bett, das nass von meinem eigenen Schweiß (und manchmal auch Erbrochenem) war, sondern auf einer harten, kalten Unterlage.
    Und auch der Schmerz war diesmal anders: Er versuchte nicht, meinen Schädel von innen heraus zu sprengen, sondern hatte sich eine glühende Furche über meine Schläfe bis hinab zum Wangenknochen gebahnt, von der aus er sich tiefer in meinen Kopf hineinwühlte und stach.
    Instinktiv versuchte ich, die Hand zu heben, um den Quälgeist zu verjagen, der auf meinem Schädel saß, aber es gelang mir nicht. Jemand ergriff mein Handgelenk und drückte meinen Arm mit einer Kraft zur Seite, der ich nichts entgegenzusetzen hatte; und auch nicht wollte.
    »Halt still. Sie ist gleich fertig.«
    »Und wenn du weiter herumzappelst, soll's mir auch recht sein, dann sieht dein Gesicht eben aus wie eine Patchwork-Decke.«
    »Was vielleicht sogar eine Verbesserung wäre«, fügte eine dritte Stimme hinzu. Ich wusste so wenig, wem sie gehörte, wie die beiden anderen, aber ich beschloss, ihren Besitzer nicht zu mögen.
    Ein weiterer, noch tieferer Stich strafte nicht nur die erste Stimme Lügen, sondern auch meinen Glauben, die Grenze dessen erreicht zu haben, was noch irgendwie zu ertragen war. Ich hatte Migräne-Anfälle erlebt, die schlimmer waren; aber dieser Schmerz war irgendwie anders. Es war nicht einfach eine Verletzung oder etwas, was mir mein eigener Körper antat. Jemand tat mir weh, und das hatte etwas Entwürdigendes, das mich wütend machte.
    Alles drehte sich in meinem Kopf, wie ein Strudel, der mich in den Alptraum zurückzureißen versuchte, aus dem ich gerade mit Müh und Not aufgewacht war. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich nicht tatsächlich für einen Moment erneut das Bewusstsein verlor, denn das Nächste, woran ich mich erinnerte, war ein leises, metallisch klingendes Geräusch, das einfach da war, sich aber zugleich auch so anhörte, als hätte es bereits eine Weile angedauert – das letzte Scheppern einer Münze, die sich im Kreis gedreht hatte und nun, schneller werdend, auslief.
    »Fertig. Mehr kann ich im Moment nicht für ihn tun«, seufzte die zweite Stimme. Ein widerlich süßer Geruch nach Kölnischwasser breitete sich aus und verband sich mit dem Gefühl latenter Übelkeit, mit dem ich erwacht war, zu etwas Neuem und sehr viel Schlimmerem, und dann ... Mein Kopf wurde ohne Warnung in brodelnde Lava getaucht. Mein Gesicht stand in Flammen und weiß glühende Drähte bohrten sich durch meine Augen. Ich schrie und bäumte mich auf, aber die gleichen starken Hände, die mich schon vorhin gepackt hatten und deren Griff ich nichts entgegenzusetzen hatte, drückten mich zurück. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es ihnen Spaß machte.
    In Wahrheit waren es vermutlich nur wenige Sekunden, aber für mich schien eine schiere Ewigkeit zu vergehen, bis das lodernde Feuer in meinem Gesicht zu einem halbwegs erträglichen Brennen herabsank.
    »Ich glaube, du kannst ihn jetzt loslassen.« Wieder die zweite Stimme. Die Stimme einer Frau, wie mir jetzt klar wurde. Spöttisch fügte sie hinzu: »Oder willst du ihm zu allem Überfluss auch noch die
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