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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde
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die Schultern. »Ich habe getan, was ich konnte. Ich bin Ärztin, keine Voodoo-Priesterin, weißt du?« Sie schien plötzlich das Bedürfnis zu verspüren, sich verteidigen zu müssen, denn sie machte eine wütende Bewegung auf den Stuhl mit ihren gesammelten Folterinstrumenten zu. »Mit dem Krempel da kann ich nicht viel anfangen. Aber der Kerl ist zäh, also fürchte ich das Schlimmste.«
    »Ich denke, er kommt durch?«, fragte Judith.
    »Eben, Schätzchen«, sagte Ellen. »Einer weniger wäre doch nicht schlecht. Das sind immerhin -«, sie tat so, als müsse sie einen Moment lang angestrengt nachdenken, »knapp siebzehn Prozent, oder?« Sie wartete einen Moment lang vergeblich auf eine Antwort, zuckte erneut mit den Schultern und wandte sich ab, um mit schnellen Schritten zu der altmodischen Spüle hinüberzugehen. Als sie den Hahn aufdrehte, ertönte ein Geräusch, das sich wie der Vorbote eines Erdbebens anhörte, doch es ließ nach einigen Sekunden bereits wieder nach, und ein dünner, bräunlicher Wasserstrahl kam aus dem Hahn. Allein der Anblick weckte ein leises Gefühl von Ekel in mir, aber Ellen griff ungerührt nach einem Stück Seife und begann sich die Hände zu waschen.
    »Er hat ziemlich viel Blut verloren«, stellte ich fest.
    »Kannst du nichts dagegen tun?«
    »Ich habe die Wunden genäht und die Blutungen notdürftig gestillt.« Ellen machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu mir herumzudrehen. Sie roch an ihren Fingerspitzen, rümpfte demonstrativ die Nase und begann sich ein zweites Mal die Hände zu waschen. Wahrscheinlich würde sie den Gestank des billigen Kölnischwassers trotzdem nicht loswerden. »Eigentlich müsste er in ein Krankenhaus — aber ich hoffe, es sieht schlimmer aus, als es ist.«
    »Was man von meinem Wagen nicht gerade behaupten kann«, ertönte eine nörgelnde Stimme. Ich hatte bislang nicht einmal bemerkt, dass Zerberus – Carl, wie er richtig hieß, aber der Spitzname, den ich ihm in Gedanken verpasst hatte, erschien mir sehr viel passender – ebenfalls da war. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen neben der Tür an der Wand und sah ebenso müde wie wütend aus.
    Ein ganz kleines bisschen vielleicht auch verstört.
    Maria warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, den er aber gar nicht zur Kenntnis zu nehmen schien, denn er nahm nun langsam die Arme herunter und kam näher, wobei er Ed so wütend anstarrte, als wolle er mit seinem Blick nachholen, was dem Fallgatter nicht gelungen war.
    »Die Karre ist nur noch Schrott.«
    »Ach ja?«, fragte Stefan bissig. »Dann hat sich ja nicht sehr viel geändert.«
    Zerberus gab sich redlich Mühe, ihn mit seinen Blicken aufzuspießen, und ich war wohl nicht der Einzige, der ihm ansah, dass er eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte und es sich nur in Anbetracht von Stefans breiten Schultern im letzten Moment noch anders überlegte.
    »Der Wagen war alt, aber völlig in Ordnung«, nörgelte er. »Jedenfalls so lange, bis dieser Idiot da ihn klauen wollte. Geschieht ihm nur recht, wenn er jetzt -«
    Weiter kam er nicht. Stefan fuhr mit einer blitzschnellen Bewegung herum und war mit zwei Schritten bei ihm. Ohne auch nur die geringste Mühe hob er den nicht gerade schmächtigen Wirt mit einer Hand hoch, stapfte weiter, als ob er sein Gewicht gar nicht spüre, und rammte Zerberus mit solcher Wucht gegen die Wand, dass er keuchend die Luft zwischen den Zähnen ausstieß. Ellen unterbrach für einen Moment ihre Versuche, die Haut von ihren Fingern zu schrubben, und sah eher gelangweilt in seine Richtung, und Judith schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
    »Jetzt reicht's«, zischte Stefan. Er sprach nicht einmal laut, aber in einer Tonlage, die seine Worte irgendwie so klingen ließ, als hätte er geschrien.
    »Noch ein Wort über deine Scheißkarre, und du kannst deine Knochen aus den Ecken zusammensuchen. Haben wir uns verstanden?«
    Sein Wutausbruch hatte mich ebenso überrascht wie die anderen, aber mein erschrockenes Zusammenzucken hatte einen anderen Grund. Ich war erschrocken, aber nicht über das, was Stefan gerade getan oder gesagt hatte.
    Erschrocken war ich über mich selbst.
    Im gleichen Moment, in dem Stefan Carl gepackt hatte, war auch ich herumgefahren – aber nicht, um ihn zurückzuhalten oder gar Carl zu Hilfe zu eilen. Im Gegenteil: Hätte Stefan ihn nicht gepackt, dann hätte ich mir Carl vorgenommen; und ich bezweifelte, dass ich es dabei hätte bewenden lassen, ihn am Schlafittchen zu packen und
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