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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Autoren: dtv
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    VORWORT
    Unfrei willig
    Je näher man dem Ziel kommt, desto mehr strengt man sich an. Freiwillig. Egal, wie sehr man sich vorher schon verausgabt hat; egal, wie viele Energiereserven schon verbraucht sind   – auf dem letzten Meter macht keiner mehr schlapp. Aufgeben? Niemals! Da gibt jeder noch mal alles. Bis zum Finale. Wie beim Sex.
    Was Sexualwissenschaftler an dieser Stelle relativ gelangweilt als klassische Klimax abtun würden, kennen Psychologen eher unter dem etwas sperrigen Anglizismus des Goal-Gradient-Effekt. Entdeckt hat den der Verhaltensforscher Clark Hull   – und das bereits 1932.   Dabei handelt es sich um eines dieser typischen Alltagsphänomene, die uns ständig begegnen, ohne dass wir es ahnen, geschweige denn selbige benennen könnten. Ob bewusst oder nicht, die Wirkungsweise machen sich zahlreiche unserer Mitmenschen zunutze: Chefs etwa, indem sie ihren Mitarbeitern kürzere Deadlines setzen und sie so zusätzlich anspornen. Fitnesstrainer, die uns anfeuern: »Komm, einmal geht noch!« Oder raffinierte Verkäufer, die uns nach einer zähen Verhandlung plötzlich einen besseren Preis machen, weil sie merken, dass wir längst an ihrem Haken zappeln.
    Es kommt sogar noch besser. Vor Kurzem entlarvte ein Forscherteam um Ran Kivetz von der amerikanischen Columbia-Universität eine noch perfidere Masche, wonach wir uns sogar in diesen Zustand der Endzeit-Euphorie versetzen lassen, selbst wenn es sich dabei um eine Illusion handelt.
    Bei einem dieser Experimente verteilten die Wissenschaftler sogenannte Bonus- oder Treuekarten an ihre Probanden, wie man sie heute von Sandwich-Ketten oder anderen Schnellrestaurants kennt. In diesem Fall stammten sie von einem Coffeeshop in der Nachbarschaft. Das Angebot wie immer: »Kaufzehn, und du bekommst einen Kaffee umsonst.« Nur war der Trick diesmal, dass die Hälfte der Teilnehmer eine leere Karte erhielt, auf der man zehn Treuepunkte sammeln musste. Die andere Hälfte musste theoretisch zwölf Kaffee kaufen, um an das Treuegeschenk zu gelangen   – allerdings klebten schon zwei Bonuspunkte auf der Karte. Wie erwartet, bemühten sich die Probanden in beiden Fällen mit jedem weiteren Kaffee zügiger um den Bonus, was den eingangs erwähnten Effekt bestätigte. Nun aber offenbarte sich die ganze psychologische Wucht der Zwölferkarte: Ihre Besitzer griffen noch gieriger zu, um möglichst schnell den versprochenen Gratisbecher zu erhalten. Obwohl die Differenz bei beiden Karten exakt zehn Punkte ausmachte, wirkten die beiden geschenkten Treuepunkte wie ein Verkaufsturbo.
    Die traurige Wahrheit ist: Wir Menschen sind so. Manipulierbar bis in die Haarspitzen, vielfach ferngesteuert oder schon ganz auf Autopilot. Zum Beispiel, wenn wir einfach mitgähnen, sobald wir einen Kollegen dabei beobachten; wenn wir uns die Hände waschen, sobald wir eine schwere Entscheidung treffen; oder wenn wir glauben, Dinge zu hören, die längst nicht mehr da sind.
    Als wir mit den Recherchen zu diesem Buch begannen, waren wir überrascht, wie viele dieser Effekte existieren. Wir nehmen an, den Domino-Effekt, den Jo-Jo-Effekt und den Placebo-Effekt kennen Sie. Aber haben Sie schon einmal vom Decoy-Effekt gehört? Vom Bystander-Effekt vielleicht? Oder vom Halo-Effekt? Eben. Es gibt weit über 200 dieser Effekte   – wobei Defekte zuweilen passender wäre   –, deren Herkunft, Entdeckungsgeschichte oder Namen kaum einer kennt.
    Schade eigentlich. Denn sie beschreiben und erklären nicht nur zahlreiche Alltagsphänomene und Ursache-Wirkungs-Prinzipien. Sie beinhalten auch viele wichtige Erkenntnisse aus der Psychologie oder Soziologie, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt haben und die uns in sämtlichen Stationen unseres Lebens begegnen: als Schüler oder Student, als Arbeitnehmer oder als Chef, als Single oder als Ehepartner. Sowie insämtlichen Lebenslagen: beim Denken und Entscheiden, beim Arbeiten und Abschalten, beim Gewinnen und Verlieren.
    Entsprechend haben wir auch dieses Buch aufgebaut: Die elf Hauptkapitel behandeln die wichtigsten Bereiche unseres Lebens und Alltags   – vom Fühlen und Lieben bis zum Konsumieren und Kooperieren. Wissenswertes drum herum, ergänzende Studien oder Umfragen haben wir in die Kästen am Rand gepackt. Dazugestellt haben wir einige Tests, mit denen Sie manche der Effekte gleich selbst erproben können.
    Natürlich gibt es auch einige Effekte, die sich nicht eindeutig abgrenzen ließen. Ihre Wirkung reicht
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