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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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Vorwort
    Jann S. Wenner
    Die Akten in unserem Archiv besagen, dass wir 1970 Hunter S. Thompsons »Die Schlacht von Aspen« veröffentlichten und er 1971 über die Unruhen unter der mexikanischstämmigen Bevölkerung in East Los Angeles berichtete und dabei einen verbissenen Anwalt namens Oscar Zeta Acosta porträtierte, der Jahre später als Dr. Gonzo in dem Buch Angst und Schrecken in Las Vegas wieder auftauchen sollte.
    1972 begannen wir mit einer permanenten Berichterstattung über den Wahlkampf zwischen Nixon und McGovern. Das war der Moment, in dem Hunter anfing, zu einem bestimmenden Faktor meines Lebens zu werden – und es auch in etlichen der folgenden Jahre zu bleiben, wenn er Zwischenberichte ablieferte (lange nächtliche Telefongespräche und häufige Strategiediskussionen, die ebenfalls ganze Nächte dauerten) und ganz besonders, wenn er am Schreiben war.
    Alles, was er nach Angst und Schrecken in Las Vegas verfasste, war vom Aufwand her vergleichbar mit einem Feldzug. Ihm eine Akkreditierung oder die entsprechenden Kontakte zu verschaffen war vergleichsweise unproblematisch – Hunter war so gut wie überall willkommen, und er wäre aufgrund seiner Fähigkeiten und seines Instinkts in der Lage gewesen, einen Präsidentschaftswahlkampf zu führen, wenn er es denn gewollt hätte. Weniger unkompliziert waren die Reisevorbereitungen: Hotels, Tickets, Rechercheure, Zuarbeiter, Mietwagen. Später, als es ans Schreiben ging, galt es dann, einen Ort für ihn zu finden, an den er sich zurückziehen konnte – das Seal Rock Inn, Key West, Owl Farm, vorzugsweise möglichst abgeschieden und ausgestattet mit einer guten Bar. Darüber hinaus musste man ihm immer wieder IBM-Selectric-Schreibmaschinen einfliegen – mit einer bestimmten Type – sowie Drogen und Schnaps besorgen (wobei er diesen Teil meist schon selbst erledigt hatte) und ihm einen Assistenten (Mädchen für alles) engagieren. Mein Job in der Redaktion des Rolling Stone bestand darin, stets präsent zu sein, um die acht bis zehn Seiten langen Manuskripte zu lesen und zu redigieren, die in unregelmäßigen Abständen aus dem Xerox-Fernkopierer quollen (wir nannten ihn den Mojo Wire) – eine Frühform des Faxgeräts mit einer Druckerdüse, die nur in Kombination mit übel riechendem Spezialpapier funktionierte und für eine Seite sieben Minuten brauchte. Dazu musste ich Stunden mit ihm am Telefon zubringen, um anschließend die verschiedenen Abschnitte und Szenen zu sortieren und in die richtige Reihenfolge zu bringen. Hunter hatte die Angewohnheit, beim Schreiben irgendwo in der Mitte anzufangen, sich von dort aus zum Anfang zurückzuarbeiten oder einfach nur einer plötzlichen Eingebung folgend ein paar Beobachtungen und Szenen festzuhalten, die man später irgendwo hineinmontieren konnte – oder sich in fantastischen Spinnereien zu ergehen (»Einschub ZZ« oder »Worte zur Nacht«), die später ebenfalls eingebaut wurden, weil es sich dabei um brillante Gedankenblitze eines Genies in Hochform handelte. Im Allgemeinen war es nicht so schwierig: Am Anfang kam immer eine kurze dramatische Abhandlung darüber, wie das Wetter dort war, wo er gerade saß und schrieb, dann kam ein Sammelsurium an Überschriften und Überleitungen zwischen den Kapiteln, um Logik und Fluss in die Angelegenheit zu bringen, die er immer erst am Ende zurechtbastelte, bevor er schließlich früher oder später zu seinen Schlussfolgerungen kam, die bei uns immer unter der Bezeichnung »die Weisheit« liefen.
    Er hatte Spaß daran, sich beim Arbeiten am Rande der Katastrophe zu bewegen – und wenn eine solche gerade nicht zur Verfügung stand, dann sorgte er dafür, dass es dazu kam. Wir hatten niemals Streit über meine redaktionelle Arbeit. Ich habe nie versucht, irgendetwas an seinen Artikeln zu ändern oder zu »verbessern«, aber da ich ein ausgeprägtes Verständnis für seinen Stil und seine Motive hatte, war ich in der Lage zu sagen, worauf er hinauswollte, und neben ihm zu sitzen und ihm wie ein Kopilot die Route vorzugeben. Bei seinen Arbeiten für den Rolling Stone bestand er darauf, dass ich persönlich alles, was er schrieb, komplett überwachte, andernfalls weigerte er sich, einen Artikel zu Ende zu bringen. Es war ein wenig so, als würde man in der Ringecke von Muhammad Ali sitzen. Um Hunter als Redakteur zu betreuen, musste man Ausdauer und Mumm haben, aber ich war jung, und mir – ebenso wie ihm – war klar, dass sich hier eine Chance bot, wie man sie nur
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