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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Autoren: dtv
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Millionen Unfälle, 1990 gar nur zwei Millionen. Logisch, denken jetzt viele, heute fahren ja auch viel mehr Autos auf den Straßen! Stimmt. Wahr ist aber ebenfalls: Die Autos sind heute viel sicherer als vor einigen Jahren noch, dafür sorgen unter anderem ABS, Airbag und Einparkhilfe. Und das führt wiederum dazu, dass auf Deutschlands Straßen so wenig Menschen ums Leben kommen wie noch nie. Ebenfalls 2010 zählte das Statistische Bundesamt nur etwa 3600   Todesopfer   – 13,5   Prozent weniger als im Vorjahr.
    Mehr Unfälle zwar, dafür weniger Tote. Wenigstens etwas. Dem technischen Fortschritt sei’s gedankt. Aber ist für die Crash-Zunahme wirklich nur die steigende Verkehrsdichte verantwortlich? Nein, behauptet der U S-Ökonom Sam Peltzman. Vielmehr ist er davon überzeugt, dass gerade der technische Fortschritt und die zunehmenden Sicherheitsvorschriften nicht für weniger Unfälle sorgen, sondern für mehr. Klingt völlig absurd, nicht wahr? Auf den ersten Blick ist der sogenannte Peltzman-Effekt das auch. Doch sehen wir uns Peltzmans Argumente einmal genauer an: Seit 1925 fahren Autos auf amerikanischen Straßen. Als die Zahl der Todesfälle im Straßenverkehr 1960 aber schon auf rund 3,5   Prozent angestiegen war, erließ die Regierung um U S-Präsident Lyndon B.   Johnson den »National Traffic and Motor Vehicle Safety Act«: Ab sofort waren Anschnallgurte Pflicht. Rund 15   Jahre später wertete Peltzman in einer viel beachteten Studie aus, welche Konsequenzen die neuen Sicherheitsvorschriften gehabt hatten. Das überraschende Resultat: Die Zahl der Unfälle war gestiegen.
    Peltzman erklärte den Effekt folgendermaßen: Zwar kamen die Fahrer und Beifahrer durch die neuen Sicherheitsvorschriftenbei einem Unfall nun wesentlich glimpflicher davon   – was sich in der sinkenden Zahl der Verkehrstoten äußerte. Gleichzeitig aber führten die Vorschriften zu einem riskanteren Fahrstil. Die Fahrer fühlten sich sicherer, was durch die Versprechungen der Industrie verstärkt wurde. Derart eingelullt nahmen Umsicht und Aufmerksamkeit bei den Fahrern kontinuierlich ab. Dieselbe Haltung lässt sich auch heute in zahlreichenGesprächen mit Autofahrern heraushören: Sie schwärmen von den technischen Raffinessen ihrer Fahrzeuge, von Nachtsichtbildschirmen, von Abstandsradar und aktiven Bremssystemen. Alles nicht schlecht, gewiss. Aber im Straßenverkehr ist man eben nie allein. Was nutzt einem die hochgerüstetste Karosse, wenn der schnarchige Vordermann abrupt und scheinbar völlig grundlos abbremst oder das Steuer verreißt? Nicht umsonst ist Drängeln und dichtes Auffahren heute ein teures Verkehrsdelikt, das mit bis zu vier Punkten, Fahrverbot und 400   Euro Bußgeld belegt wird (siehe Kasten S.   27). Nur weil sich die Leute in ihren dicken und gedämpften Blechschiffen so sicher fühlen, fahren sie selbst bei 180   Sachen noch so dicht auf den Vordermann auf, dass sie nicht einmal mehr das Kennzeichen lesen können.
    DAS KOSTET DRÄNGELN
    Bei Geschwindigkeiten über 80   km/h, mit weniger als
50   Prozent des Mindestabstands: 75   Euro, 1   Punkt
40   Prozent des Mindestabstands: 100   Euro, 2   Punkte
    Bei Geschwindigkeiten über 100   km/h, mit weniger als
30   Prozent des Mindestabstands: 160   Euro, 3   Punkte, 1   Monat Fahrverbot
20   Prozent des Mindestabstands: 240   Euro, 4   Punkte, 2   Monate Fahrverbot
10   Prozent des Mindestabstands: 320   Euro, 4   Punkte, 3   Monate Fahrverbot
    Bei Geschwindigkeiten über 130   km/h, mit weniger als
50   Prozent des Mindestabstands: 100   Euro, 2   Punkte
40   Prozent des Mindestabstands: 180   Euro, 3   Punkte
30   Prozent des Mindestabstands: 240   Euro, 4   Punkte, 1   Monat Fahrverbot
20   Prozent des Mindestabstands: 320   Euro, 4   Punkte, 2   Monate Fahrverbot
10   Prozent des Mindestabstands: 400   Euro, 4   Punkte, 3   Monate Fahrverbot
    Quelle: Bußgeldkatalog, Stand: Januar 2010
     
    Schon vor über 30   Jahren war es für den Wirtschaftswissenschaftler Peltzman deshalb das trügerische Sicherheitsgefühl, das zahlreiche Unfälle verursachte   – trotz immer neuer Sicherheitserlasse. Der Blick auf die Daten des Statistischen Bundesamts scheint seine These zu stützen: Zwischen 1990 und 2008 nahm zwar die Zahl der Unfälle mit Personenschaden von 340   000 auf 320   000 ab. Ohne Frage ein Verdienst der Sicherheitstechnik. Im gleichen Zeitraum aber stieg die Zahl der Unfälle mit Blechschaden
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