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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Autoren: dtv
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von etwa 1,7   Millionen auf fast zwei Millionen. Und das ist ein starkes Argument für den Peltzman-Effekt. Fahren Sie also bitte vorsichtig und umsichtig!

DIE PENDLER-AMNESIE
    Warum Pendeln krank macht
    Wenn einem das Leben nicht gefällt, hat das meist Gründe. Stau ist einer davon. Und der ereilt zahlreiche Menschen nahezu täglich   – beim Pendeln ins Büro. Etwa 16   Millionen Berufspendlergibt es in Deutschland. Die Mehrheit bevorzugt trotz diverser Appelle ans Umweltbewusstsein weiterhin das Auto. 2008 fuhren damit knapp 60   Prozent aller Pendler zur Arbeitsstätte, nur 13   Prozent nahmen Busse oder Bahnen. Rund 44   Prozent der Arbeitnehmer würden für ihren Traumjob gar eine tägliche Fahrtzeit von über einer Stunde in Kauf nehmen, zwölf Prozent führen auch mehr als zwei Stunden, kam 2009 bei einer Umfrage der Online-Stellenbörse Stepstone heraus.
    Doch statt dieses selbstgewählte Schicksal geduldig auf sich zu nehmen, verlagert die kollektive Fahrgemeinschaft jeden Morgen die Mundwinkel auf Asphaltniveau. Nach aufreibenden Manövern durch zäh fließenden Verkehr, überquellende Zubringer und schier endlos scheinende Stop-and-Gos sind sie nur noch genervt vom Pendeln, das sie im Schnitt ganze 44   Minuten tägliche Lebenszeit kostet. Was, nebenbei bemerkt, ein Quickie ist: Amerikaner brauchen für den Weg zur Arbeit im Schnitt 51   Minuten, in Japan sind es 90.   Getoppt werden sie alle aber von den Einwohnern Bangkoks: Die zuckeln allein schon für eine Strecke satte zwei Stunden durch überfüllte Straßen.
    Sagen wir es, wie es ist: Pendeln macht krank. Aber nicht wegen der Abgase. Der britische Stressforscher David Lewis von der Universität von Sussex zeichnete fünf Jahre lang den Blutdruck und die Herzfrequenz von 800   Autofahrern auf. Danach verglich er deren Werte mit denen von Polizisten und Jetpiloten. Dabei bemerkte Lewis, dass das Stressniveau der Pendler mit dem von Kampfpiloten vergleichbarwar. Außerdem konnten sich viele Versuchspersonen aufgrund der Anspannung an weite Teile der täglichen Strecke gar nicht mehr erinnern. Lewis nannte dieses Phänomen die Pendler-Amnesie. Wer jeden Tag anderthalb Stunden pendelt, verliert pro Woche einen ganzen Arbeitstag aus dem Bewusstsein. Erschreckend, oder?-
    Studien des Psychologen Dwight Hennessy vom Buffalo State College zeigten: Vor allem Männer lassen ihre im Berufsverkehr angestauten Aggressionen später an Kollegen aus. Die einen beschimpften Kollegen, andere bemoserten oder behinderten deren Arbeit. Offenbar hatten die Männer während der Berufspendelei bereits ihre gesamte Frustrationstoleranz aufgebraucht. Kam es im Büro später zu Konflikten, fehlte ihnen schlicht die Kraft, neuen Ärger und ihre aufkochenden Emotionen im Zaum zu halten.
    Dabei ist es nicht einmal so sehr das Pendeln an sich, das uns unglücklich macht. Vielmehr ist es der Umstand, dass wir dadurch auf vieles verzichten: auf körperliche Betätigung etwa oder das Pflegen sozialer Kontakte. Robert Putnam von der Harvard-Universität beschäftigte sich 2001 in seinem Buch ›Bowling Alone‹ mit der Erosion der amerikanischen Gesellschaft. Er ist fest davon überzeugt, dass das Pendeln maßgeblich seinen Beitrag dazu geleistet hat   – als einer der größten Verursacher sozialer Isolation: »Zehn Minuten Pendeln resultiert in zehn Prozent weniger sozialen Verbindungen«, rechnet Putnam vor. Schließlich habe kaum jemand morgens im Zug Lust, Leute kennenzulernen. Nur wenige teilten sich den Weg zur Arbeit mit guten Freunden   – und wirklich entspannt ist die Stimmung in Bussen und Bahnen weder morgens noch abends. Wer Auto fährt, ist ohnehin meist mit sich und dem Radio allein.
    Vielen schlägt das offenbar kräftig aufs Gemüt. Als das Münchner Dienstleistungsunternehmen Regus 2009 rund 11   000   Arbeitnehmer in 13   Ländern nach ihren größten Frustverursachern befragte, gab jeder Fünfte zu Protokoll, dass er schon einmal darüber nachgedacht habe, wegen der ständigen Pendelei den Job aufzugeben. »Der ganze Stress lohnt sich nicht«, befindet daher auch der Schweizer Ökonom Bruno Frey. Sogar buchstäblich. Als er und sein Kollege Alois Stutzer sich vor einigen Jahren des Themas Berufspendeln annahmen, gelangten sie zur Überzeugung: Wer allein für eine Strecke eine Stunde lang auf der Piste ist, müsste im Vergleich zu einem Nichtpendler 40   Prozent mehr verdienen, um genauso glücklich zu sein. Frey und Stutzer vergleichen
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