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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde
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»Als es noch ein Internat war, hat es hier Telefon gegeben, aber der Anschluss funktioniert nicht mehr. Seither ...« Er zuckte die Achseln.
    »Und was ist mit diesem Schacht?«, fragte Ellen.
    »Wohin führt er? Es muss doch vom Keller aus einen Zugang dorthin geben?«
    »Keine Ahnung«, wiederholte Carl. Als er sah, wie sich Stefans Gesicht schon wieder verdüsterte, fügte er rasch hinzu: »Sie machen sich kein Bild davon, wie riesig dieses alte Gemäuer ist. Es gibt Keller, aber sie sind zum Teil eingestürzt, und ich hatte bisher keinen Grund, Kopf und Kragen zu riskieren, um da unten rumzukriechen. Ich weiß nicht, wohin der Schacht führt. Interessiert mich auch nicht. Wenn von Thun dort unten liegt, dann kann ihn höchstens die Feuerwehr rausholen.« Seine Stimme wurde leiser und auf eine Art bedauernd, die mir sagte, dass ihm dieser sonderbare alte Mann mehr zu bedeuten schien, als er uns alle glauben machen wollte. »Wenn er noch lebt.«
    »Feuerwehr ist eine gute Idee«, stellte ich fest. »Aber dafür muss man sie erst einmal benachrichtigen – womit wir wieder beim Thema wären. Irgendjemand muss ins Dorf hinunter, und da es anscheinend nicht anders geht, zu Fuß.«
    Stefan grinste humorlos. »Lass mich raten: Du denkst dabei nicht zufällig an mich, wie?« Er winkte ab.
    »Vergiss es. Auf die Idee bin ich auch schon gekommen.
    Der Jeep steckt im Tor wie ein Korken im Flaschenhals.
    Seitlich käme da kaum eine Flunder daran vorbei.
    Drüberklettern geht nicht wegen des Gatters und darunter durchkriechen ist auch nicht. Ihr hattet Glück, dass der Wagen eine Heckklappe hat, sonst hätten wir euch nicht mal rausholen können.«
    »Es wird ja wohl irgendwo noch einen weiteren Ausgang geben«, sagte ich und blickte Carl dabei fragend an.
    Ein dünner, bohrender Schmerz erwachte in meinen Schläfen. Außerdem begann meine Hand zu jucken.
    Gedankenverloren und ohne hinzusehen fuhr ich mit dem Daumen über die juckende Stelle.
    »Nein«, sagte Carl.
    »Nein?«, wiederholte Stefan zweifelnd.
    »Jedenfalls kenne ich keinen«, behauptete Carl. »Das hier war einmal eine Burg. Deshalb gibt es auch keine weiteren Ausgänge. Man ist wohl davon ausgegangen, dass einer reicht.«
    »Eine Burg?«, hakte Judith nach. »Von Thun hat erzählt, es wäre ein Kloster gewesen.«
    »So groß ist der Unterschied nicht«, mischte sich Maria ein. »Im Mittelalter wurden viele Klöster wie Festungen angelegt, um vor Feinden Schutz zu bieten. Manchmal war es auch nur ein Alibi – man baut ein Kloster, weil man sich offiziell nicht traut, eine Festung zu errichten.«
    Ich hörte kaum hin. Meine Kopfschmerzen, einmal neu erwacht, wurden wieder schlimmer, aber was hatte ich nach einem solchen Unfall auch erwartet? Es grenzte an ein Wunder, dass es mir überhaupt schon wieder so gut ging. Ich sah auf den Küchentisch und die totenbleiche Gestalt darauf hinab. Eds Atem ging so flach, dass man genau hinsehen musste, um ihn überhaupt zu bemerken, und sein Gesicht war so bleich wie die sprichwörtliche Wand. Wahrscheinlich sollte ich froh sein, überhaupt Kopfschmerzen haben zu können.
    »Und wie sieht es mit Geheimgängen aus?« Auch Judith massierte kurz ihre Schläfen, ließ die Hände aber rasch wieder sinken und flüchtete sich in ein fast verlegenes Lächeln. »Ich meine, in Filmen haben Burgen doch immer irgendwelche verborgenen Fluchtwege.«
    »Wahrscheinlich gibt es welche«, sagte Ellen.
    »Dummerweise sind Geheimgänge meistens geheim, Liebchen. Das liegt in der Natur der Sache, weißt du?
    Deswegen nennt man sie Geheimgänge.« Sie schüttelte den Kopf. »Filme!« Sie stand noch immer an der Spüle, hielt aber jetzt ein Glas Wasser in der Hand, mit dem sie etwas Kleines, Weißes hinunterspülte; wahrscheinlich eine Tablette. »Das klassische Bildungsprogramm, wie?
    Warum nicht gleich Tom & Jerry?«
    Judith holte tief Luft, und in ihren Augen funkelte plötzlich etwas, was ich vorher noch nicht darin gesehen hatte, aber ihr Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war. »Da draußen gibt es jedenfalls einen gut getarnten Schacht, von dem niemand weiß, wohin er führt, Miss Oberschlau«, versetzte sie bissig. »Wo ist da der große Unterschied zu einem Geheimgang? Und warum sollte es nicht noch einen geben?«
    Sie blickte Ellen herausfordernd an, aber die schnitt nur eine verächtliche Grimasse und gab keine Antwort. Sie nippte an ihrem Wasser. Ich musste an die braune Brühe denken, die aus dem Hahn gekommen war, und
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