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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Autoren: Karl May
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Die Fastnachtsnarren
Humoreske von Karl May
    »Da muß doch gleich der helle, lichte Popanz drinne sitzen! Zehnmal und hundert Mal schon habe ich Dirs gesagt, daß Du mit dem Heinrich nicht liebäugeln sollst, und sobald ich Abends nur die Nase zum Fenster ‘naus recke, sehe ich Euch miteinander im Garten oder hinter dem Schuppen oder sonst in irgend einer Ecke stecken, und was thut Ihr da, he, was habt Ihr da zu thun, frage ich?«
    »Nichts thun wir, Vater, gar Nichts.«
    »So? J der Tausend, da mag Dein Herzallerliebster auch ein schöner Kerl ein, wenn Ihr gar Nichts thut. Als ich noch in den Jahren war, in denen man eines hübschen Gesichtchens wegen alle Wochen zwei Paar neue Hosen an den Zäunen hängen läßt, da habe ich meinem Mädchen so viel Arbeit gemacht, daß sie gar nicht fertig werden konnte. Und dieser Taugenichts, der drei, vier Stunden lang bei Dir steht und Nichts, gar Nichts thut, den willst Du heirathen? Zum Loche werfe ich ihn ‘naus, wenn er mir noch ‘mal in die Bude kommt. So ein Schlabbermäulchen wie Du, das den ganzen Tag nicht stille steht und immer vorneweg und obenauf ist, braucht einen Mann, der Haare auf den Zähnen hat. Aber sich hinstellen, das Maul aufreißen und den Mond angucken, das wäre mir ein Liebhaber; schäme Dich!«
    »Na, so schlimm ist’s doch nicht. Der Heinrich weiß auch, was sich für einen Burschen schickt, der sein Mädchen lieb hat.«
    »Ach so! Da thut Ihr wohl zuweilen doch etwas mehr als gar Nichts, he?«
    »Das kommt ganz auf die Witterung an.«
    »Auf die Witterung? Du willst Dich doch nicht etwa über mich lustig machen? Heraus damit! Wieso auf die Witterung?«
    »Na, wenn’s bei ihm heiß wird, beißt er mich, und wenn’s mir zu schwül wird, beiß ich ihn. Gute Nacht, Vater!«
    »Halt, dageblieben! Wir sind noch nicht fertig, und wenn ich mit Dir rede, so hast – – Wahrhaftig, da ist sie fort, und ich stehe da grad wie ‘ne alte Frau, der die Nöcke ‘runter gefahren sind. Wenn ich wieder ‘mal was auf dem Herzen habe, so weiß ich, was ich thue: Entweder halte ich das Maul, oder ich erzähle es den alten, ledernen Hosen dort am Nagel. Die laufen mir doch wenigstens nicht davon!«
    Er brachte die ausgegangene Merschaumfpeife wieder in Brand, griff nach Stock und Pelzmütze und schritt nach der Thür. Draußen vor der Küche traf er die Hausfrau.
    »Schlaf wohl, Mutter!«
    »Gute Nacht, Vater, sei nicht gar zu lange außen.«
    »Hat sich ‘was! Heut wird es spät werden: es ist Neuwahl, und da geht es laut her.«
    »Wer wird wohl Vorsteher werden?«
    »Das zeigt sich erst zu Fastnachten. Ich hoffe, daß ich’s bleibe.«
    Er öffnete die Thür und schritt durch die schneebedeckten Gassen einem Hause zu, welches am Ende der kleinen Stadt lag und die verheißungsvolle Inschrift »zum lustigen Mann« trug. Hier kamen wöchentlich zwei Mal die Mitglieder des Zipfelmützenclubs zusammen, um nach des Tages Last und Arbeit sich in geselligem Kreise zu erheitern und munteren Scherz und Frohsinn walten zu lassen.
    Bei diesen Zusammenkünften trug jedes Mitglied eine weiße Zipfelmütze mit rothem Rande und blauer Quaste, der Vorsteher aber eine Kopfbedeckung mit vierfachem Zipfel als Abzeichen seines hohen, leider nur ein Jahr währenden Amtes.
    Am letzten Sonnabend vor Fastnachten nämlich wurden mittelst Ballotage zwei Mitglieder bestimmt, von denen derjenige die Vorsteherwürde erhielt, welcher am darauffolgenden Fastnachtsdienstag den Anderen am Auffälligsten »zum Narren« machte. Die ganze Stadt war jedesmal auf die Lösung dieser possierlichen Angelegenheit gespannt, da es manchen guten Witz dabei gab, der noch lange Zeit den Gegenstand des Stadtgespräches bildete.
    Schon eine Reihe von Jahren war es dem Färbereibesitzer Wadenbach gelungen, sich auf dem Stuhle des Vorstehers zu erhalten. Er war einer der beliebtesten Bewohner des Städtchens, stak voll Schnurren und Drolligkeiten und besaß eine Laune, die geradezu unverwüstlich war. Aber neben seinen zahlreichen, guten Eigenschaften, hatte er auch einige kleine »Mucken«, wie er es nannte, die ihm schon manchen Streich gespielt hatten. Er war nämlich ein eifriger Verehrer des rothen Pommeranzens und kannte sehr genau den Büffetwinkel im »lustigen Manne«, wo die betreffende Flasche ihr unveränderliches Domicil aufgeschlagen hatte. Ferner besaß er in Beziehung auf Geister, Gespenster, Ahnungen und Anzeichen so seine eigene Meinung, von der er sich nicht abbringen ließ; denn er war
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