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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein
Autoren: Grafit
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Letztes Lächeln
    Nicht alles, was sich hinten reimt, ist ein Gedicht. Und nicht jede Frau über siebzig eine harmlose Oma. Ekaterina Schöderlapp ging viele Jahre lang als Oma durch. Das war ihre Stärke.
    Auf den Fotos, die ich in ihrer schäbigen Wohnung gefunden hatte, sah sie meiner Großmutter verblüffend ähnlich: faltiger Teint, Truthahnhals, graue Dauerwelle und gütiges Lächeln.
    Die letzte Aufnahme von ihr machte der Polizeifotograf. Da sah sie meiner Oma aber nicht mehr ähnlich. Das lag an der Plastiktüte über Ekaterina Schöderlapps Kopf.
    Aber der Reihe nach.

    »Bitte wenden Sie und fahren Sie in die entgegengesetzte Richtung«, sagte Heike ihren Lieblingssatz.
    Spinn nicht, Heike. Wenn ich deinem Rat folge, lande ich in meinem Vorgarten! Zum Glück kannte ich die Gegend um mein Anwesen wie das Innere meiner Handtasche. Ich nahm die Schnellstraße, die vom Süden in den Norden der Stadt führte. Im Tunnel blieb Heikes Stimme stumm. Dann aber rappelte sie sich wieder auf: »Folgen Sie der Straße für drei Kilometer.« Nach dieser Strecke sollte ich rechts abbiegen.
    »Sie haben Ihr Ziel erreicht.« Ich parkte meinen Wagen und prüfte die Lage.
    Nichts Auffälliges. Das Haus war grau und wirkte verwohnt. Die Außenwand zeigte Risse. In den Treppenstufen, die zu den Mülltonnen neben der Kellertür führten, fehlten Steine. Schlichtbau der späten Fünfziger.
    Warum waren die Bullen noch nicht da? Dass ich schneller an einem Tatort war als die Polizei, kam nicht so oft vor. Oder war das Ganze nur ein dummer Scherz?
    Dem Haus gegenüber befand sich ein Kiosk. Ein Mann saß fast bewegungslos am Ausguck. Wenn er die letzte halbe Stunde schon da gewesen war, musste er etwas gesehen haben.
    »Hallöchen«, sagte ich jovial.
    »Wasn?« Müde Augen mit zerplatzten Äderchen richteten ihren Blick auf mich.
    Das erste Martinshorn schickte seinen aufgeregten Klang durch die Luft.
    »Wie läuft das Geschäft denn so, Meister?«
    »Hm.«
    Was für eine Plaudertasche!
    Die Martinshörner kamen näher. Ich musste mich beeilen.
    »Nettes Angebot haben Sie hier«, sagte ich und musterte mit anerkennendem Blick die Lakritzschnecken, die Gummibärchen und den Lidl-Sekt. »Sagen Sie mal: Wohnt gegenüber eine Oma?«
    »Oma?«
    »Eine Russin«, legte ich nach.
    »Russin?«
    Kein Zweifel, er war ein Anhänger des Ein-Wort-Satzes. Das machte keinen Sinn. Ich musste in das Haus, bevor der Polizeitross eintraf.
    Schnell war ich über die Straße. Kein Risiko eingehend, drückte ich alle Klingelknöpfe. Das Martinshorn war schon ziemlich nah. Ich überflog die Namen – aber nichts Russisches sprang mich an. Eher Türkisches oder Bosnisches. Die einen haben die vielen Üs, die anderen die ICs.
    Die Haustür sprang auf. Muffiger Geruch, leicht feucht. Im Halbdunkel des Flures stieß ich gegen einen Rollator. Vor dem Fenster auf halber Treppe fristete ein Ficus benjamini sein elendes Dasein.
    Im Hochparterre entdeckte ich eine angelehnte Wohnungstür. Auf dem Schild stand der Name Ekaterina Schöderlapp.
    Die Oma wird nicht grad unterm Dach wohnen, dachte ich, und der Vorname ist die russische Version von Katharina.
    Auf der Straße quietschten Bremsen. Ich griff nach der kleinen Kamera in meiner Tasche und lief in die Wohnung. Bestialischer Gestank. Große Blumen auf der Tapete, Sofakissen mit Mittelscheitel. Ein teurer Großbildschirm. Ich knipste wild herum. Irgendwas würde ich schon gebrauchen können.
    Da war ein zweites Zimmer. Nein! Der Mut verließ mich. Nur einen Blick riskieren. Ich musste am Bad vorbei und sah hinein. In der Wanne und auf den Regalen stapelten sich Kartons. Ich machte ein Foto.
    Schritte polterten auf der Treppe. Lieber schnell weg!
    Ich rannte zur Tür und riss sie auf.
    »Ah, hallo, Frau Grappa!«, sagte Hauptkommissar Anton Brinkhoff.
    »Ta-hach auch«, stotterte ich.
    »Was führt Sie her?«, fragte er.
    Seine Kollegen im Hausflur grinsten.
    »Frau Schöderlapp ist eine alte Freundin meiner Frau Mutter«, behauptete ich tapfer. »Ich wollte mal nachsehen, wie es ihr so geht.«
    »Aha. Und wie geht es ihr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Brinkhoff schnupperte. »Dem Geruch nach zu urteilen, nicht besonders gut.«
    Er gab seinen Leuten ein Zeichen und sie betraten vorsichtig die Wohnung.
    »Also kommen wir mal zum Kern der Sache, Frau Grappa. Was soll das hier?«
    »Mich hat jemand angerufen.«
    »Aha. Ein Bluthund?«
    »Ja.«
    »Es wird höchste Zeit, dass unser Funk digital rausgeht«, seufzte der
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