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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos
Autoren: Jo Clayton
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    „Regnet’s noch?” Stavver bückte sich in die Schleuse, kniete sich neben sie und starrte in den Regen hinaus, der wie ein deprimierender, grauer Vorhang fiel.
    Aleytys wischte über ihr schwarzgefärbtes Haar, um den feinen Dunst hinwegzufegen, den der Regen hereintrieb, dann blickte sie flüchtig auf die Nässe, die auf ihren Unterarmen perlte. ,,Ohne Unterbrechung.”
    „Maissa wird wie eine Katze fauchen. Sie haßt es, naß zu werden.”
    „Ich kann sie nicht begreifen.” Sie wartete auf eine Entgegnung.
    „Manchmal macht sie mir tatsächlich Angst.” Wieder Stille. ,,So viel Ärger …” Noch immer keine Antwort. Sie ruckte mit einer Hand nach oben, und sagte: „Was ist denn da oben los?”
    „Vor einer Minute ist ein Karkesh-Gleiter vorbeigekommen. Noch immer kein Zeichen, daß ihnen unsere Anwesenheit bekannt ist.” Er lehnte sich gegen den anderen Schleusenrand und lächelte ihr zu. „Du siehst gar nicht wie du selbst aus.”
    Aleytys blickte auf ihren veränderten Körper hinunter. Abgesehen von den blaßblauen Tätowierungen Schmetterlinge, die in einer Reihe zu ihren Schultern hochflatterten -, waren ihre Brüste nackt. Ein weites, grobgewebtes Batiktuch, zartblau bedruckt, war zweimal um ihre Hüften gewickelt; eine silberne Drahtbrosche hielt es. Ihre Haut war zu einem warmen Rostbraun gedunkelt. „Jedesmal, wenn ich in einen Spiegel sehe, bekomme ich einen Schock.” Sie ließ ihre Blicke über ihn gleiten, um seine Veränderung ebenso zu beurteilen: das weiße Haar schwarz gefärbt, die blaßblauen Augen jetzt tiefbraun, die Haut noch dunkler als die ihre, schließlich die kühnen, blauen Tätowierungslinien auf Gesicht, Armen und Schultern. „Jedesmal, wenn ich dich ansehe . .
    .” Sie gluckste. „Ich bin letzte Nacht aufgewacht und habe fast einen Anfall bekommen, als ich den Fremden in meinem Bett gesehen habe.”
    Sie gähnte und streckte sich. „Wie ist das bei dir, Miks?”
    „Die übliche Taktik in meinem Beruf, Leyta.”
    „Nun, ich habe nicht deine enorme Erfahrung mit dieser ganzen Verwandlerei. Dies ist erst die dritte Welt, die ich gesehen habe, und Maissa wollte mich nicht vom Schiff lassen; ich habe nicht mehr als einen Bruchteil jenes Ortes gesehen, wo wir Kale aufgelesen haben.”
    Er legte seine Finger um ihren Knöchel und schüttelte ihren Fuß hin und her, ohne sich um ihre Proteste zu kümmern. „Armes, unschuldiges, kleines Bergmädchen.” Er grinste in sich hinein. „Ich hab’ dich in Aktion gesehen.”
    „Das war nicht ich, Idiot. Laß los.” Sie befreite ihren Fuß und täuschte einen Tritt nach ihm vor. „Du, ausgerechnet du, müßtest dich an das Diadem erinnern. Du hast es gestohlen.” Sie berührte ihren Kopf und schnitt ihm eine Grimasse, als das sanfte Klingen in das Rauschen des Wolkenbruchs einstimmte. „Seit wir Jaydugar verlassen haben, hat es mich in Ruhe gelassen, dem Madar sei Dank.”
    Das Grinsen verschwand von seinem Gesicht. Er richtete sich auf den Knien auf, lehnte sich über sie und starrte in den unaufhörlichen, trostlosen Regen hinaus. „Verdammtes Wetter. Wir haben noch etwas zu erledigen.”
    Aleytys sah zu, wie er sich wieder setzte, die Arme um seine Knie schlang, das Gesicht unter einem grüblerischen, finsteren Blick verzogen. Das durchdringende Tosen des fallenden Wassers schlug auf die Sensibilität, die ihn zu einem brillanten Dieb machte, gleichzeitig aber auch seine größte Schwachstelle war. Eine stille Spannung zitterte in der perlenverzierten Luft; stumm wartete sie darauf, daß sich die zynische Maske wieder auf seinem Gesicht zeigte, die er benutzte, um seine Schwächen vor den böswilligen Augen der Welt zu verbergen. Sie musterte ihn und spürte ein eigenartiges Unbehagen; sie wurde neugierig, weil sie unter den augenblicklichen Umständen nichts ausmachen konnte, das seine Besorgnis rechtfertigte. Sie tastete hinaus, um herauszufinden, was ihn beunruhigte, und sprach einen Gedanken aus, der wie in einer Falte unter der Oberfläche lag.
    „Sollten wir wirklich glauben, daß wir irgend jemanden so täuschen können, daß er uns für Eingeborene dieses sumpfigen …” Sie zuckte mit den Schultern und ruckte mit einem Daumen zur Schleuse hin; der Regen war schwächer geworden. Die Geisterbilder mehrerer Bäume entwickelten sich in dem Grau.
    Stavver blinzelte träge und hob sein Gesicht, und das finstere Stirnrunzeln ging in Milde über. „Maissa hat das alles erklärt.”
    „Und ich glaube noch immer
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