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Karibische Affaire

Karibische Affaire

Titel: Karibische Affaire
Autoren: Agatha Christie
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kam hinter einer Wolke hervor und beschien Mollys ausgebreitetes Haar… Miss Marple stieß einen Schrei aus. Sie beugte sich nieder, streckte den Arm und berührte den goldblonden Kopf. Mit gänzlich veränderter Stimme sagte sie: »Wir sollten uns lieber überzeugen.«
    Staunend starrte Evelyn Hillingdon sie an.
    »Aber Sie haben doch eben gesagt, es dürfte nichts angerührt werden?«
    »Ich weiß. Aber da war der Mond hinter den Wolken, und ich habe nicht gesehen – « Sie teilte das blonde Haar, sodass die Wurzeln bloßlagen.
    Jetzt schrie auch Evelyn auf.
    »Lucky!« Und nach einer Pause wiederholte sie: »Also nicht Molly… sondern Lucky.«
    Miss Marple nickte. »Die Haarfarbe ist nahezu die gleiche – aber Luckys Haar ist gefärbt, daher die dunkleren Wurzeln.«
    »Aber sie trägt doch Mollys Schal?«
    »Er gefiel ihr. Ich hab’ sie sagen hören, sie wolle sich einen gleichen besorgen. Das hat sie offenbar getan.«
    »Das also hat uns getäuscht…«
    Evelyn brach ab, da sie sich von Miss Marple beobachtet sah.
    »Man muss ihren Mann verständigen«, sagte Miss Marple.
    Es folgte eine kurze Pause, dann sagte Evelyn:
    »Nun gut. Ich werde es tun.«
    Sie wandte sich ab und ging zwischen den Palmen davon. Eine Zeit lang verharrte Miss Marple regungslos. Dann drehte sie den Kopf und sagte: »Ja, Oberst Hillingdon?«
    Edward Hillingdon war aus dem Baumschatten hinter ihr gekommen und blieb nun neben Miss Marple stehen.
    »Sie haben gewusst, dass ich hier war?«
    »Jeder Mensch wirft einen Schatten«, sagte Miss Marple.
    Einen Augenblick schwiegen sie. Dann sagte er, mehr zu sich selbst: »So hat sie’s schließlich doch zu weit getrieben…«
    »Sie sind wohl recht froh, dass sie tot ist?«
    »Schockiert Sie das? Nun, ich will es gar nicht leugnen. Ja, ich bin froh, dass sie tot ist.«
    »Der Tod ist oft die beste Lösung.«
    Langsam wandte Edward Hillingdon ihr das Gesicht zu.
    Miss Marple blickte ihm ruhig in die Augen.
    »Falls Sie glauben sollten – « Er trat drohend auf sie zu.
    Aber Miss Marple sagte gelassen:
    »Ihre Frau kann jeden Moment mit Mr Dyson zurück sein. Und auch Mr Kendal mit Dr. Graham.«
    Edward Hillingdon entspannte sich und wandte sich wieder der Toten zu.
    Leise machte Miss Marple sich davon. Dann beschleunigte sie ihre Schritte.
    Kurz vor Erreichen ihres Bungalows blieb sie stehen. Hier hatte sie damals mit Major Palgrave geplaudert. Hier hatte er seine Brieftasche nach dem Foto eines Mörders durchsucht…
    Sie dachte daran, wie er aufgeblickt hatte und wie sein Gesicht rot angelaufen war… »Hässlich«, hatte Señora de Caspearo es genannt. »Er hatte den bösen Blick. Den bösen Blick?… Blick?… Blick?…«

23
     
    M r Rafiel hatte das alles nicht gehört. Er lag noch tief im Schlaf und schnarchte leise, als er bei den Schultern gepackt und heftig geschüttelt wurde.
    »Eh – zum Teufel – was ist denn los?«
    »Ich bin es«, sagte Miss Marple, »wenn ich es auch ein wenig strenger sagen sollte. Die Griechen haben das, glaube ich, Nemesis genannt!«
    Mr Rafiel richtete sich auf, so gut es ging, und starrte sie an. Miss Marple stand im Mondlicht, den Kopf in einen weichen hellrosa Schal gehüllt, und sah einer Nemesis alles andere als ähnlich.
    »Also – Sie sind die Nemesis, oder wie?«, sagte Mr Rafiel endlich.
    »Ich hoffe, es zu werden – mit Ihrer Hilfe.«
    »Möchten Sie nicht deutlicher sagen, was Sie da mitten in der Nacht daherreden?«
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren! Ich bin wie vernagelt gewesen – dabei hätte ich von Anfang an wissen müssen, was gespielt wurde! Es war so einfach!«
    »Was war einfach, und wovon sprechen Sie?«
    »Sie haben den Großteil davon verschlafen«, sagte Miss Marple. »Es wurde eine Leiche gefunden. Zuerst dachten wir, es sei Molly Kendal, aber es war Lucky Dyson. Im Fluss ertrunken.«
    »Lucky, sagen Sie? Und ertrunken? Im Fluss? Hat sie sich selbst ertränkt, oder wurde sie –?«
    »Sie wurde«, sagte Miss Marple.
    »Jetzt fang’ ich an zu verstehen! Das also meinen Sie, wenn Sie sagen, es war so einfach! Greg Dyson war immer der Verdächtige Nummer eins, und er ist der Mörder! Das glauben Sie doch? Und jetzt haben Sie Angst, er könnte straflos ausgehen?«
    Miss Marple seufzte.
    »Mr Rafiel, bitte, vertrauen Sie mir! Wir müssen einen Mord verhindern!«
    »Ich dachte, der sei schon geschehen!«
    »Ja, aber der Mörder hat sich geirrt! Jeden Moment kann jetzt der eigentliche Mord passieren, wir haben keine Zeit mehr,
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