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Karibische Affaire

Karibische Affaire

Titel: Karibische Affaire
Autoren: Agatha Christie
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nach einer Stunde schlug er Alarm, organisierte die Suche und spielte die Rolle des erschütterten Ehemanns.«
    »Aber was zum Teufel hatte Lucky mitten in der Nacht am Wasser zu suchen?«
    Verlegen hüstelnd meinte Miss Marple: »Es könnte möglich sein, glaube ich, dass sie – eine Verabredung hatte.«
    »Mit Edward Hillingdon?«
    »O nein«, sagte Miss Marple. »Das war vorbei. Aber möglicherweise – hat sie auf Jackson gewartet.«
    »Auf Jackson!«
    »Ich habe ein paar Mal bemerkt – mit welchen Augen sie ihn angesehen hat«, murmelte abgewandten Blickes Miss Marple. Mr Rafiel stieß einen Pfiff aus.
    »Schau, schau, der kleine Casanova! Na, zuzutrauen wär’s ihm! Aber Tim muss einen schönen Schock gekriegt haben, als er draufkam, dass er die Falsche erwischt hatte!«
    »Unbedingt. Er muss ganz verzweifelt gewesen sein. Da ging nun Molly weiterhin herum, aber die Geschichte über ihren Geisteszustand, die er so sorgsam in Umlauf gebracht hatte, würde keiner ärztlichen Untersuchung standhalten! Und wenn Molly gar erzählte, dass er sie zum Fluss bestellt hatte – wie würde er dann dastehen? So gab es nur noch einen Weg für ihn – Molly so rasch wie möglich zu erledigen. Dann bestand noch immer große Aussicht, dass man glauben würde, Molly habe in einem Anfall von Geistesverwirrung Lucky umgebracht und anschließend Selbstmord verübt.«
    »Und da entschlossen Sie sich, die Nemesis zu spielen, wie?«, sagte Mr Rafiel.
    Plötzlich lehnte er sich zurück und lachte schallend. »Nein«, rief er, »das war vielleicht ein Spaß! Wenn Sie wüssten, wie Sie in der Nacht ausgesehen haben! Den komischen Schal um den Kopf – wie Sie plötzlich dastanden und sagten, Sie seien die Nemesis! Das werde ich nie vergessen!«
     
    Es war soweit. Miss Marple stand auf dem Flugplatz und erwartete ihre Maschine. Eine Menge Leute waren zum Abschied mitgekommen. Die Hillingdons waren freilich schon weg, und auch Gregory Dyson war auf eine der anderen Inseln geflogen, wo er sich, wie man hörte, einer argentinischen Witwe widmete, denn Señora de Caspearo war schon in Südamerika.
    Auch Molly war mitgekommen, um Miss Marple das Geleit zu geben. Sie wirkte zwar noch blass und dünn, hatte aber den Schock tapfer überstanden und führte nun das Hotel zusammen mit einem ihr von Mr Rafiel empfohlenen Herrn, den er eigens aus England hatte kommenlassen.
    »Arbeiten kann Ihnen nur guttun«, hatte Mr Rafiel zu ihr gesagt. »Das hält Sie vom Nachdenken ab. Sie haben hier eine Goldgrube!«
    »Glauben Sie nicht, dass all diese Morde – «
    »Nein. Die Leute mögen Morde, sobald sie geklärt sind«, hatte Mr Rafiel ihr versichert. »Machen Sie nur weiter, Mädchen, und verlieren Sie nicht das Vertrauen zu den Männern, bloß weil Sie einen Lumpen erwischt haben!«
    »Sie reden schon wie Miss Marple«, hatte Molly gesagt. »Die erzählt mir auch immer, dass eines Tages schon der Richtige kommen wird.«
    Mr Rafiel musste grinsen, als er daran dachte. Nun waren sie alle da: Molly, die beiden Prescotts, natürlich er selbst und Esther – eine etwas gealterte, traurig blickende Esther, zu der Mr Rafiel jetzt des Öfteren unerwartet freundlich war –, und auch Jackson war zur Hand, angeblich, um sich um Miss Marples Gepäck zu kümmern. Seit Neuestem war er ständig gut aufgelegt und erzählte jedem, der es hören wollte, dass er unerwartet zu Geld gekommen sei.
    Ein fernes Sausen am Himmel kündigte die Maschine an. Es ging hier etwas formlos zu, es gab kein ›Bitte, zu Ausgang acht‹ oder ›zu Ausgang neun‹. Man trat einfach aus dem blumenumstandenen Pavillon auf die Betonbahn hinaus.
    »Also – leben Sie wohl, liebe Miss Marple, und alles Gute!« Molly küsste sie.
    »Leben Sie wohl! Und sehen Sie zu, dass Sie uns besuchen kommen!« Miss Prescott schüttelte ihr herzlich die Hand. »Schön, dass wir uns kennen gelernt haben«, sagte der Kanonikus. »Ich schließe mich der Einladung meiner Schwester aufs Wärmste an!«
    »Alles Gute, Madam«, sagte Jackson. »Und wenn Sie mal eine Gratismassage brauchen, schreiben Sie nur, damit wir was vereinbaren können!«
    Nur Esther Walters wandte sich ab. Miss Marple wollte sie nicht zwingen. Als letzter kam Mr Rafiel. Er nahm ihre Hand. »Ave Caesar Imperator, morituri te salutant«, sagte er.
    »Ich fürchte, ich kann nicht mehr so viel Latein«, sagte Miss Marple.
    »Aber das verstehen Sie noch?«
    »Ja.« Mehr sagte sie nicht. Sie wusste sehr wohl, wie er es gemeint hatte.
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