Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever
Autoren: W Pohrt
Vom Netzwerk:
Volksschullehrers diskutierten – sie sind nun selbst Lehrer an Schulen oder Hochschulen geworden. Diejenigen also, die einst die Zumutung empört zurückgewiesen hätten, durch ihre Arbeit in den Institutionen dieser Gesellschaft zur Funktionsfähigkeit des schlechten Ganzen beizutragen, und dies um den Preis, im Trott des bürgerlichen Berufsalltags selbst zur Schießbudenfigur mit schütterem Haar, verbitterter Seele, eisernem Pflichtgefühl und schlaffen Gliedern zu werden – sie alle sind entweder verbeamtet oder aber verelendet, dequalifiziert, kaputt, inhaftiert oder tot. Den Davongekommenen, die teils auch die Revolution nicht ohne die Rückversicherung eines ordnungsgemäßen Studiums betrieben, teils rechtzeitig ihre akademische Resozialisierung einleiteten, meist aber einfach Glück hatten – ihnen erging es nicht anders als allen in dieser Gesellschaft, die sich überhaupt noch dazu aufraffen, etwas Substanzielles zu wollen: sie endeten als gescheiterte Existenzen. Daraus ist ihnen kein Vorwurf zu machen, wohl aber daraus, dass sie das unglückliche Bewußtsein davon ver­drängen.
    Auffällig ist ein eiserner Vorhang aus Optimismus, der wie eine Festung verteidigt wird und jede Verständigung unmöglich macht. Ohne es recht zu merken, haben die berufstätigen Linken von den Institutionen, die sie zu unterminieren glauben, deren eigentümliches Verhältnis zum Rest der Welt übernommen. Was in dieser nicht in Ordnung ist, reduziert sich dabei aufs Funktionelle. Die Missratenheit der Welt taucht nur noch in der Form auf, wie die Institutionen sie definieren: als Objekt der Macher und Organisatoren. In diesem Verhältnis zu den Unterprivilegierten, namentlich aber auch in diesem Verhältnis zu sich selbst, sind sämtliche alltäglichen Erfahrungen abgeblockt, an deren Radikalität sich die Revolution als lebendige Notwendigkeit erweisen würde: Grauen, Ekel, Entsetzen. Die Unfähigkeit, in sich selbst das trostlose Schicksal einer gescheiterten Existenz zu erkennen, entspricht der Fähigkeit, den Umstand, daß man ein paar armen Teufeln zu Almosen nach dem Bundessozialhilfegesetz verholfen hat, mit sichtlicher Befriedigung als Erfolgserlebnis zu verbuchen. Die Verhärtung gegen sich selbst korrespondiert dem sozialfürsorgerischen Verhältnis zu den anderen Menschen. Dessen Eiseskälte ist die Voraussetzung dafür, den Deformierten auch noch freundlich auf die Schulter zu klopfen. Als Objekte brauchen sie nicht ernst genommen zu werden. Ekel und Grauen, die das Wesen ihres wie des eigenen Daseins treffen würden, kann man sich daher sparen. Als Sterilität der eigenen Erfahrung haben auch die Linken den manipulativen Blick der Institutionen übernommen. Ihre voraussetzungslose Menschenfreundlichkeit verdankt sich dabei in Wahrheit weniger der politischen Überzeugung, als daß sie ein Erfordernis des Berufslebens ist: als Lehrer ist man gezwungen, mit den Schülern auszukommen, und sei es durch Anbiedern.«
    Wieder ein Beweis dafür, wie wenig sich die Zeiten geändert haben.

Abendland vs. Islam: Gottlose im Religionskrieg
    Wer was erreicht hat, wer es zu was gebracht hat, lebt fortan mit der Sorge, es wieder zu verlieren. Europa hat Angst. Seit 100 Jahren ist das so, seit Oswald Spenglers »Untergang des Abendlandes«. Der vergreisende und lendenschwache Kontinent igelt sich ein und geht in Abwehrstellung, mal gegen die USA, mal gegen die fürchterlich fleißigen Chinesen, neuerdings bevorzugt gegen den Islam. Daraus resultiert die Standardfrage im aufgeklärten Politikdiskurs, ob man eine wirkliche Revolution mit Beteiligung des Volkes überhaupt noch gutheißen kann, wenn diese bedeutet, dass anschließend die Scharia wieder eingeführt wird, wie das wahrscheinlich in Ägypten der Fall sein wird.
    Mit der Scharia kenne ich mich nicht so gut aus. Ich weiß nur so viel: Wenn ein Idiot heute weder von Religion noch von Politik und auch sonst gar keine Ahnung hat – von der »Scharia« quasselt er immer. Wenn es um den Islam geht, ist jeder Dorftrottel plötzlich Spezialist für Glaubensfragen, Orientalistik und Islamwissenschaft, ja sogar für Arabisch. In jedem Diskussionsforum im Internet gibt es faschistische Hetzer, die Koran-Suren angeblich aus dem Original zitieren, um zu beweisen, wie schrecklich und gefährlich der Islam sei. Diese Akribie erinnert an Eichmanns Judenreferat im Reichssicherheitshauptamt der SS, wo mit der Zeit die umfassendste Sammlung von Judaika zusammengetragen wurde und die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher