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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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ihre Tränen in Nahaufnahme.
    Selbst jetzt konnte ich den Blick nicht von ihr abwenden. Ihre Schönheit war hart und aggressiv, und sie benutzte sie, um andere damit zu verletzen, obwohl sie sich innerlich bloß selbst wehtat.
    Mark kam in die Wohnung, stellte die Einkaufstüten ab und stieß einen beschwingten Seufzer aus. »Mannomann, wofür hält England sich eigentlich, für Russland ?«
    Ich wollte den Laptop zuklappen, jeden Hinweis darauf vernichten, dass ich die Filme geguckt hatte, aber es war zu spät – er würde es hören und misstrauisch werden. Ich beschloss, stattdessen zu lügen.
    Als ich mich umdrehte, schoss mir der Schmerz durchs Bein. »Hey!«
    »Was machst du da?«
    »Guck mir nur was an. Ich überlege, ob ich diesem Tipp nachgehe, den ich wegen Matt bekommen habe …«
    »Suchst du den immer noch?«
    »Hab kein gutes Gefühl, wenn etwas nicht zu Ende gebracht ist. Es sollte doch zu Ende gebracht werden, oder?«
    »Klar, sicher.« Mark stand neben dem Sofa und zeigte auf den Laptop. »Lass mal sehen.«
    Erleichtert, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte, ließ ich den Film noch einmal von Anfang an ablaufen, und wir schauten ihn gemeinsam an. Immer wieder schielte ich zu Mark hinüber, um seinen Gesichtsausdruck zu lesen, aber was er sah, schien ihn nicht zu schockieren.
    »Das ist traurig«, sagte er, als Clare die Kamera abstellte. »Hey, kann ich mal kurz was nachgucken?«
    »Ja, klar.« Ich schob den Computer zu ihm rüber, froh, dass er an meinem Verhalten nichts auszusetzen hatte.
    »Sind das alle?«, fragte er und klapperte auf den Tasten herum.
    »Ja.«
    »Cool.« Er zuckte die Achseln und reichte mir den Laptop zurück.
    Ich wollte den Film wieder anklicken, doch der Online-Ordner, den ich angelegt hatte, war leer. Verwirrt aktualisierte ich die Seite, klickte zurück, vor, suchte die Filme. Sie waren nicht mehr da.
    »Was soll das, Mark?«
    »Was?«
    »Hast du die gelöscht?« Ich stand auf und schrie ihn an, so weh tat es. »Ich brauch die, verdammt noch mal!«
    »Wofür genau?«
    »Für …« Mir fiel keine überzeugende Antwort ein, ich schrie trotzdem weiter, als würde es einen Unterschied machen. »Du hast kein verdammtes Recht dazu, kein verdammtes Recht!«
    »Das ist nur zu deinem Besten.«
    »Ich lasse mich von dir nicht bevormunden, du Arschloch!«, fauchte ich.
    »Du hättest sie nicht bekehrt, Nic!« Er baute sich vor mir auf, wurde lauter. »Du hättest sie nicht verändert, ihr nicht geholfen, sie nicht geheiratet und zwei Komma fünf Kinder mit ihr bekommen, verdammt noch mal! Sie war eine kaputte Frau, eine wunderschöne kaputte Frau, die genau wusste, wie man andere genauso verrückt macht, wie sie es war, das musst du langsam mal kapieren, ja? Du wärst nicht ihr großer Retter gewesen!«
    Ich schlug nach ihm, doch er parierte.
    »Nic, lass das!«
    Ich holte erneut aus, aber Mark blieb einfach stehen und steckte ein. Gegen seinen Bauch zu schlagen war so, als kämpfte man gegen eine Eisenwand.
    Er packte mich am Hemd und warf mich seitlich gegen die Wand. Ich prallte ab, schlang den Arm um seine Taille, und wir kippten über die Sofalehne. Mit der Schulter stieß ich mich an der Ecke des Couchtischs, wir rutschten auf den Boden, Mark war als Erster wieder oben und drückte mich runter.
    Ich versuchte aufzustehen, aber er hielt mich fest, zeigte mir mit dem Finger ins Gesicht. »Ich lasse nicht zu, dass du hier rumsitzt und sie in den Himmel hebst!«
    »Runter!«
    »Ich schwöre dir, ich trete dir so was von in den Arsch!«
    Ich hätte den Rückzug antreten können, doch meine heftige Reaktion hatte seine Theorie bestätigt. Ich konnte nicht mal genau sagen, warum ich so wütend war, abgesehen davon, dass er mir die einzige Möglichkeit genommen hatte, sie noch einmal zu sehen.
    Ich hörte nichts als unseren Atem.
    Mark wartete auf eine Antwort.
    »Gut«, sagte ich.
    »Gut, was?«
    »Gut, du hast recht.«
    Nach einigen Sekunden schien er beschwichtigt zu sein.
    »Entschuldigung angenommen«, sagte er, stand auf und zog mich auf die Füße.
    Meine Wade beschwerte sich, ich musste mich wieder setzen. Mit einem gewissen Bedauern wurde mir klar, dass wir das noch nie gemacht hatten – wir hatten uns bisher nicht mal angeschrien, von einem richtigen Kampf ganz zu schweigen.
    Mark strich seine Kleidung glatt und verschwand, ohne ein Wort zu sagen.
    Ich hatte schon öfter gesehen, wie er trainierte, hatte verfolgt, wie er endlose Push-ups und Klimmzüge machte und
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