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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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1
2000
    Sie waren zu dritt, standen an der Ecke zwischen der Hauptstraße und unserem Haus. Ich wusste, dass sie mich anhalten würden. In dieser Gegend wusste man so was einfach. Mein Viertel lauerte am Rande des Gesichtsfelds wie ein prügelnder Ehemann – unauffällig, bis die Gewalt grundlos hervorbrach.
    »He!«
    Ich vermied jeden Blickkontakt.
    »Oi! Oi, Nic!«
    Es wäre unklug gewesen weiterzugehen, deshalb blieb ich einen guten Meter vor dem größten Typen im grauen Kapuzenpulli stehen.
    »Was gibt’s?« Ich nickte, nicht zu vertraut, aber auch nicht abweisend.
    Der Abend brach an, warf lange Schatten auf den Gehweg und ließ die dunkle Haut des Jungen fast schwarz erscheinen. Sie mochten um die dreizehn sein, auch der, der größer war als ich, möglicherweise auch jünger.
    »Hast du Geld? Mein Bruder braucht Kippen.« Der größte wies mit dem Kopf auf einen der Kleineren.
    »Nein, will gerade nach Hause.«
    Sie machten keine Anstalten, sich zu rühren, daher bewegte ich mich auch nicht. Vier Paar Hände wurden in Taschen geschoben. Ich hatte nichts dabei. Aber ich war klug genug, um böse zu gucken, auch wenn ich eher das Gefühl hatte, jeden Moment zu kotzen oder umzukippen.
    »Du hast ’n komischen Nachnamen, oder?«
    Schweigen.
    »Cariana – klingt schwul.«
    »Caruana«, berichtigte ich.
    » Caruana …« Er zog die Silben in die Länge. »So wie Marihuana ?«
    »Jep.«
    Ein roter Honda fuhr vorbei. Ich spürte, wie ein Augenpaar hinter der Glasscheibe die Szene registrierte, dann war es fort.
    »Leute, ich gehe jetzt nach Hause«, sagte ich, senkte den Blick und machte einen Schritt nach vorn.
    »Na, na, na, Junge.« Der Große drückte mir seine Hand gegen die Brust. »Na, na, na, ich hab dich gefragt, ob du Kohle für Kippen hast, Junge. Nic, ej. So heißt du doch, Nic, oder?«
    »Verdammt noch mal, ich hab kein Geld dabei!« Demonstrativ zog ich die Hände aus den Taschen, und er schlug mir ins Gesicht.
    Zwei von ihnen schlangen die Arme um meinen Bauch, die Straße wurde Himmel, Hände fuhren mir in Taschen. Dann prallte ich mit dem Hinterkopf auf den Asphalt, trat um mich, erwischte Schienbeine, sie schrien mich an.
    »Bleib liegen! Bleib liegen, oder ich ramm dir das Messer rein! Ich ramm dir das scheiß Messer rein!«
    Ich erstarrte, flach auf dem Bürgersteig, Regenwasser durchnässte meinen Rücken. Es konnte eine leere Drohung sein, aber ich wollte es nicht drauf ankommen lassen. Sie nahmen mir mein Handy ab, ich schaute über ihre Köpfe hinweg zu der dunkler werdenden Wolke.
    »Abmachen!«, sagte der Große und wies auf meine Uhr, die Uhr meines Vaters, schwarzes Leder, silberne Ziffern.
    Ich zögerte, und einer der Kleineren trat mir in die Rippen.
    »Hast du nicht gehört, Wichser?«
    »Sonst machen wir dich alle!«
    »Nehmt doch das Handy«, sagte ich und überlegte, ob ich je unser Haus erreichen würde.
    Der nächste Tritt traf mich ins Gesicht. Ich spuckte Blut und rollte mich auf die Seite, spie auf den Gehsteig. Sie würden mich wegen der Uhr töten – diese Typen würden wegen einer falschen Postleitzahl töten.
    »Schon gut, Mann, schon gut !«
    Mit zitternder Hand versuchte ich, die Schließe zu lösen, und betete, sie wären damit zufrieden.
    »Beeilung, Mann!«
    Der Große packte mich am Handgelenk, und ich sah das Messer, ein fieses Teil mit Stilettklinge. Voller Panik langte ich nach dem Griff. Ein Arm wurde mir in den Nacken gedrückt, aber ich wollte nicht loslassen. Wenn ich losließ, war ich tot – eine weitere Zahl, ein Gesicht in der Zeitung, daneben eine peinlich optimistische Aufzählung meiner Ziele.
    Zuerst glaubte ich, ihn zu schlagen, ihm die Faust in die Brust zu rammen, um wieder Luft zu bekommen, doch als er mich losließ und ich den Messergriff immer noch in der Hand hielt, wurde mir klar, was passiert war.
    Mit leeren Augen sah er mich an. Große blutige Blumen erblühten, liefen vorne auf seinem Kapuzenpulli ineinander.
    Die anderen beiden nahmen Reißaus.
    »Ich … Scheiße …« Er drehte sich um und versuchte, sich zur Hauptstraße zu schleppen.
    »Warte! Nein, warte!«
    Ich ließ das Messer fallen und folgte ihm, am Bordstein fiel er auf die Knie. Ich hockte mich neben ihn und durchsuchte seine Taschen nach meinem Handy.
    »Warte, warte kurz …« Ich wusste nicht, was ich sagte. Zusammenhanglose Wörter purzelten aus meinem Mund.
    »Ich will zu meiner Mum …« Er begann zu weinen, hielt sich den Bauch. »Kannst du bitte meine Mum
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