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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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drin war, und dachte an das Geld, mit dem Clare mir vor dem Gesicht herumgewedelt hatte.
    Mein Handy vibrierte.
    Ich wollte aufstehen, um ungestört sprechen zu können, doch stattdessen erhob sich Katz.
    »Hi, Harri«, sagte ich.
    » Hi, wie geht’s dir? Schon gut. Mum und Dad wollen wissen, ob du zu Weihnachten vorbeikommst.«
    »Bist du jetzt bei ihnen?«
    »Bin praktisch wieder eingezogen. Und?«
    Ich verdrehte die Augen. »Wieso fragen die mich nicht?«
    »Weiß ich nicht. Ich bin nur der beschissene Vermittler.« Sie seufzte. »Kommst du?«
    Ich sah, wie Katz die an die Wand gepinnten Broschüren über Chlamydien las. Daneben hingen Poster zum Leben mit Diabetes und eins zu den Gefahren von ungeschütztem Sex.
    »Wahrscheinlich nicht, um ehrlich zu sein«, sagte ich. »Bin gerade in der Notaufnahme. Hab eine kleine … Stichverletzung am Bein.«
    »Ha, mal was Neues. Aber du kommst doch zur Beerdigung, oder?«
    »Wann ist die?«
    »Am siebenundzwanzigsten.«
    »Ja, klar.«
    »Tut mir leid, dass ich so’n Arsch zu dir war … Letztes Mal war ich ein kleines Arschloch. Das lag an Dad, der hat mich nicht in Ruhe gelassen. War mal ’ne Abwechslung, dass er jemand anders auseinandernimmt.«
    »Das darfst du dir nicht gefallen lassen, wenn er dich so anscheißt, Harri. Das macht er nur, weil du dich nicht wehrst.«
    Sie schnaubte verächtlich. »Da machst du es ja deutlich besser. Als du das letzte Mal weggelaufen bist, das war echt die Hölle. Dad ist gar nicht drüber weggekommen. Ich hab zugeguckt, wie du wegliefst, und dachte nur: Das ist wirklich mal ein Typ, der sich echt von keinem anscheißen lässt …«
    »Ach, leck mich, hab’s verstanden.«
    Selbst am Telefon erinnerte sie mich an Daisy. Es war entnervend, die beiden waren in meinem Kopf fast zu einer Person verschmolzen.
    »Was willst du auf der Beerdigung sagen?«, fragte sie. »Wenn du nichts sagst, dann muss ich ran, und wir wissen beide, dass das keiner will.«
    »Ey, Scheiße, nee. Wir spielen in der Kirche Schere-Stein-Papier darum, okay?«
    »Am Arsch. Wenn mir aufgebrummt wird, sein Leben in rosa Farben zu malen, dann wirst du das auf jeden Fall auch machen müssen.« Sie zögerte. »Ist alles in Ordnung? Du klingst irgendwie … komisch.«
    Mein Kopf wurde leer, mir fiel keine überzeugende Lüge ein. Für mich schien das Haus, das ich gerade zurückgelassen hatte, nie existiert zu haben. Wie Katz gesagt hatte: Das Gefühl des Verlusts glich einem nagenden Schmerz, verwässert durch den Schock. Verlorene Autoschlüssel.
    »Nur die Arbeit.« Auf einmal musste ich grinsen. »Hey, wetten, dass du dich nicht traust, die Trauerrede high zu halten? Alle würden sich anschließend fragen, warum du mittendrin aufgehört und nur noch die Kerzen angestarrt hast!«
    »Sehr witzig! Lass mich nicht im Stich bei der Beerdigung, ja?«
    »Nein, mach ich nicht.«
    Ich legte auf und lächelte sogar Katz an, als er sich wieder hinsetzte.
    »Danke«, sagte ich. »Ich meine, fürs Kommen und Saubermachen. Weiß ich … zu schätzen.«
    »Das ist kein Problem. Ich schulde Mark eine Menge. Wie ich heute zu ihm sagte, als du angerufen hast: Da, wo ich herkomme, gibt es keinen Gefallen, den wir unseren Verwandten oder unserem Land nicht tun würden.«
    »Sorry, da vermitteln wir wohl den falschen Eindruck. Wir sind nicht verwandt.«
    »Das ist egal. Mark hat gesagt, du bist seine Familie und seine Heimat.«
    Die Damen vor uns erhoben sich, um zum diensthabenden Arzt vorgelassen zu werden, kurz darauf wurden wir hereingerufen.
    Als mein Bein versorgt und verbunden war, brachte mich Katz nach Hause. Mark kam erst in den frühen Morgenstunden zurück.
    Gegen Mitternacht war ich beim Ansehen der Webcam-Filme auf dem Sofa eingeschlafen und wachte auf, als ich hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.
    Mein Laptop wartete im Stand-by-Modus auf dem Couchtisch.
    In meinem Traum hatte ich auf dem Boden gesessen, gegen den Spiegel in Clares Ballettstudio gelehnt. Sie hatte für mich getanzt, hin und her, in Schwarz-Weiß. Der Spiegel in meinem Rücken war kalt gewesen. Es war völlig bizarr, aufzuwachen und zu wissen, dass ich sie nie wieder berühren würde.
    Ich schwang die Beine über die Sofakante und rieb mir die Augen. Mark ließ sich schwerfällig neben mich sinken. Er roch nach Bleiche, nach Seife und Zigaretten. Mark rauchte nur, wenn er Stress hatte – eines der wenigen Anzeichen, an denen ich erkennen konnte, dass er ein Problem hatte.
    »Wie lautet die
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