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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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warf mich auf ihn.
    Ein Schuss erwischte die Deckenlampe, es regnete Glassplitter. Ich umklammerte Pats Handgelenk, drehte es so, dass die Automatik nach oben zeigte, streifte dabei seinen Kopf. Ganz kurz hatte ich die Pistole in der Hand, dann schlug Pat mir mit dem Handrücken ins Gesicht, ich ließ los, und die Waffe rutschte über den Boden.
    Clare heulte, sie schrie uns an, wir sollten aufhören, aber ihre Worte drangen nicht zu mir durch. Sie hielt den Kopf in den Händen, sah uns entgeistert zu, als wäre es das Letzte, womit sie gerechnet hätte.
    Pat und ich stürzten uns gleichzeitig auf die Pistole, rangen miteinander, und es gelang mir, seinen Kopf gegen die Granitarbeitsfläche zu stoßen. Als ich nach der Automatik greifen wollte, nur noch wenige Zentimeter entfernt, spürte ich einen sengenden Schmerz in der Wade.
    Mein linkes Bein knickte weg, noch ehe ich wusste, was passiert war.
    Ich fiel auf die Fliesen, drehte mich um und sah direkt über dem Knöchel ein Messer aus dem Muskel ragen. Ohne nachzudenken, zog ich es heraus. Der Raum verschwamm.
    Clare stieß einen Schrei aus und schoss nach vorn. »Pat, nein!«
    Er baute sich über mir auf.
    Ich zog mich an der Arbeitsfläche hoch und sah ihm in die Augen. Er richtete die Pistole auf meinen Kopf. Die Mündung sah aus wie ein schwarzes Loch, das Ende des verfluchten Universums.
    Mit voller Wucht rannte Clare in ihn hinein, ich hörte das dumpfe Geräusch des Schalldämpfers.
    Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, nur das von Pat, starr vor Schock, schlagartig ohne jede Farbe.
    Ihr Körper, eben noch angespannt und bei jedem Atemzug bebend, sah jetzt aus, als sei ihm die Kraft einfach entrissen worden, als sei nur ein Verbund von Gliedern und Zellen zurückgeblieben, der seine Funktionen nicht mehr erfüllen konnte.
    Die Beine, die ich Pirouetten hatte drehen sehen, knickten ein.
    Pat fing sie auf, ging mit ihr zu Boden, stellte sicher, dass ihr Hinterkopf nicht aufschlug, und erst da konnte ich die Stelle in ihrer Brust erkennen, wo die Kugel eingeschlagen war.
    Sie blinzelte leicht.
    »Nein … verdammt, nein …« Pat ließ die Waffe fallen und kniete sich über sie, nahm ihr Gesicht in die Hände, als wollte er das Leben davon abhalten, aus ihr zu entweichen. »Nein, Baby … Baby, bleib bei mir …«
    Es war, als würde ich wieder zu Bewusstsein kommen.
    »Warte!« Ich versuchte, das verletzte Bein zu belasten, und es tat so weh, dass mir Tränen in die Augen schossen. »Warte, ich kann jemanden anrufen, warte!«
    Ich humpelte durch den Flur, die Zähne zusammengebissen, zischte »Fuck, fuck, fuck, fuck …« vor mich hin, bis ich bei meiner Tasche war. Es dauerte ein paar Sekunden, mein Handy überhaupt zu erkennen, so blind war ich vor Panik.
    Ich nahm es und hinkte zurück in die Küche.
    Sie war wie ein Schlag ins Gesicht, die Einsicht, dass es nichts mehr bringen würde, einen Rettungswagen zu rufen.
    »Pat!«, rief ich, als ich wieder in die Küche kam und innehielt, die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen versuchte. »Pat, mein Auto! Wir können …«
    »Halt’s Maul!«
    Er sah zu mir hoch, die Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    »Ich kann meinen … ich rufe meinen …«
    Er strich ihr über die Stirn.
    Es schien so unwirklich, sie dort liegen zu sehen, mir zu wünschen, sie würde sich bewegen, schwach blinzeln, flach atmen … Die Luft schoss mir in die Lunge, und ich presste sie wieder hinaus. Ich sah vor mir, wie ich sie zum Auto trug, ins Krankenhaus brachte, aber das war reines Wunschdenken. All das hätte länger gedauert als die Minuten, Sekunden, die uns noch blieben.
    Keiner von uns rührte sich, zu lange.
    Ich stand mit meinem Handy da, als würde mir gleich eine Lösung präsentiert werden.
    Pat schob ihr das Haar aus der Stirn, nahm ihre Hand, und seine Fingerkuppen schwebten über dem Blut, das vorn an ihrem weißen T-Shirt hinabgelaufen war, warteten auf eine Reaktion.
    Ihre Augen waren halb geschlossen, ihre Lippen geöffnet. Ich dachte an Emma, derselbe Gesichtsausdruck wie bei den Aufnahmen aus dem Hafen.
    Pat ließ Clares Hand los und legte ihr seine auf den Bauch. Die Szene erinnerte mich an Clare in der Nacht im Leichenschauhaus – ein Schmerz, als sei die Seele zerrissen worden.
    Er griff zu seiner Automatik. Ich duckte mich, schlug instinktiv die Hände vors Gesicht, wartete auf den Eintritt der Kugel. Als ich mich traute, Pat wieder anzusehen, hatte er die Waffe noch immer auf mich gerichtet.
    Er
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