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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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    E in dunkler Schatten glitt über die beiden jungen Männer hinweg, während die Bella Chiara im ersten Morgenlicht die streng bewachte Stelle passierte, an der die hohen, zinnenbewehrten Stadtmauern von Florenz zu beiden Seiten des Arno gegen trutzige Wachtürme stießen.
    Jetzt dauerte es nicht mehr lange, dann würden sie die Anlegestelle bei den Färberhallen von Santa Croce erreichen. Gut viereinhalb Tage hatte die Fahrt mit dem Schiff von Pisa nach Florenz gedauert. Beide Männer sahen ihrer Ankunft in der reichen Wollweberstadt mit gemischten Gefühlen entgegen – der eine fühlte Scham und Furcht, der andere dagegen Hoffnung und Vorfreude.
    »Was ist, Silvio? Machen wir noch ein Spiel, bevor der Kahn anlegt?«, fragte Giuseppe Landucci und ließ die aus Knochen geschnitzten Würfel im ledernen Becher tanzen. Ein spöttischer, herausfordernder Ausdruck lag auf den grobschlächtigen Zügen des Handwerksgesellen.
    Silvio Fontana zögerte. Am liebsten hätte er nach dem Würfelbecher gegriffen und Fortuna noch einmal auf die Probe gestellt, doch er widerstand der Versuchung. »Besser nicht«, entgegnete er und grinste schief. »Du hast mir schon genug Geld abgenommen. Ich will nicht abgebrannt sein, wenn ich in Florenz eintreffe.«
    Lachend steckte Giuseppe den Würfelbecher weg. »Jetzt übertreib aber nicht! Eine Handvoll Piccioli – mehr hast du doch gar nicht verloren.«
    »Von wegen! Es waren gut und gern fünf Soldi! 1 «, verbesserte Silvio ihn. Er ärgerte sich einmal mehr, dass er die Finger einfach nicht vom Glücksspiel lassen konnte. Fortuna war ihm ohnehin nur selten gewogen, wenn er zu Würfeln und Karten griff. Und überhaupt hatte er in letzter Zeit eine Pechsträhne nach der anderen gehabt. Und die bitterste von allen hatte ihn nun nach Florenz zurückgetrieben.
    »Und wennschon! Für jemanden, der so weich gebettet ist wie du, sind ein paar verlorene Soldi doch nicht der Rede wert«, meinte Giuseppe. In seiner Stimme schwang eine Spur von Neid mit.
    Silvio machte eine säuerliche Miene. »Bevor du dich als Fontana ins weiche Bett legen kannst, musst du einen verdammt bitteren und langen Weg gehen, das lass dir gesagt sein! Der Alte erspart keinem von uns die harte Ochsentour. Und so bald wird er die Zügel nicht aus der Hand geben!«
    »Aber du weißt, dass dir ein sattes Erbe sicher ist und dass du durch die engen Beziehungen deiner Familie zu den Mächtigen dieser Stadt immer ein gemachter Mann sein wirst!« Giuseppe wusste, wen Silvio mit dem Alten meinte: Sandro Fontana, Silvios Großvater, den Patriarchen der Familie. Er hatte Silvio nach dem frühen Tod von dessen Eltern in sein Haus geholt und ihn wie seinen eigenen Sohn erzogen.
    »Das gebe Gott«, murmelte Silvio und sah Giuseppe missmutig von der Seite an. Denn das mit dem Erbe war eine Sache, die ihm mitunter Kopfschmerzen bereitete. Noch war nämlich ganz und gar nicht klar, wen sein Ziehvater als Erben bestimmen würde. Zwar gab es ein geheimes Versprechen, aber wirkliche Sicherheit hatte man nur, wenn ein solches Versprechen verbrieft und besiegelt war.
    Giuseppe missdeutete Silvios Gesichtsausdruck und er befürchtete schon, er hätte seinen Freund und Zechbruder, von dessen Wohlwollen so viel für ihn abhing, ungewollt verstimmt. Deshalb fügte er schmeichlerisch hinzu: »Niemandem würde ich das mehr wünschen als dir! Du hast das Herz auf dem rechten Fleck und ich danke dem Allmächtigen, dass er dich mir geschickt hat, als ich nicht mehr weiterwusste.«
    Da magst du recht haben, Giuseppe, aber ich sitze wahrscheinlich noch übler in der Patsche als du! Denn bei mir steht viel mehr auf dem Spiel als nur eine kleine Hinterhofwerkstatt, fuhr es Silvio durch den Kopf und er kämpfte gegen das flaue Gefühl im Magen an, das immer stärker wurde, je näher der Augenblick rückte, in dem er seinem Ziehvater Rede und Antwort stehen musste. Hoffentlich hatte er diesmal den Bogen nicht überspannt! Seine einzige Hoffnung war, dass der Zorn seines Großvaters mittlerweile schon zu einem Gutteil verraucht sein würde. Deshalb hatte er für seine Rückkehr nach Florenz ja auch die lange Reise auf dem Fluss gewählt. Hätte er sich zu Pferd nach Hause begeben, wäre er schon längst in Florenz eingetroffen – und vermutlich direkt in einen Sturm frischer, ungezügelter Wut geraten.
    Die beiden jungen Männer, die im Heck der Bella Chiara auf ihren Kleidersäcken hockten, hatten mit ihren zweiundzwanzig Jahren dasselbe Alter und beide
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