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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Dunkelheit ein. Wie ein schwarzer Vorhang hing die Finsternis von den sanft geschwungenen Bögen der Ponte alla Carraia herab, der ersten flussaufwärts gelegenen Brücke innerhalb des weiten Florentiner Mauerrings.
    Silvio hatte auf einmal das Gefühl, als legte sich die Dunkelheit wie eine schwere Platte aus Blei auf seine Brust. Er schloss die Augen und betete im Stillen, dass sein Großvater auch diesmal Nachsicht üben würde.
3
    D as Feuer breitete sich in Windeseile aus. Gierig leckten die Flammen an den schweren königsblauen Samtvorhängen, die das mit kunstvollem Schnitzwerk reich verzierte Himmelbett auf allen Seiten umhüllten. Laut prasselnd schossen die Flammen in die Höhe und verwandelten die kostbaren Stoffbahnen in Wände aus wogendem Feuer.
    Nun hielt auch der sanft durchhängende Tuchbaldachin nicht länger stand. Flammenzungen schossen von allen vier Seiten auf die Mitte zu, wo das herzogliche Wappen prangte, und rissen den mit Goldfäden kunstvoll durchwirkten Samthimmel auf. Der Baldachin verwandelte sich in einen Regen aus brennenden Stofffetzen.
    Wie aus dem Nichts tauchten drei ungewöhnlich große Krähen im flammenumloderten Balkengeviert auf. Der flackernde Feuerschein tanzte über ihr blauschwarzes Gefieder und ließ ihre Augen aufleuchten wie glühende Kohlen. Unvermittelt senkten sie ihre scharfen Schnäbel und stürzten sich mit höhnisch schrillem Gekrächze auf ihn herab.
    Mit einem erstickten Schrei erwachte Galeazzo Maria Sforza. Erschrocken setzte er sich auf und sah sich verstört um. Sein Herz raste, als wollte es ihm die Brust sprengen. Noch immer glaubte er sich von lodernden Flammen umgeben.
    Doch anstatt auf ein Flammenmeer fiel sein Blick auf das vertraute Bild der dunklen, in weite Falten gelegten Samtvorhänge, die ihn vor der Nachtkälte schützten. Und anstatt auf sengende Hitze stieß seine Hand auf kalten Schweiß, als er sich mit zittriger Hand über die Stirn fuhr.
    Durch einen Spalt zu seiner Linken drang vom Fenster her graues Morgenlicht in den Raum. Ein wenig davon fiel in den samtenen Kokon seines capoletto, seines feudalen Himmelbettes, das mitten in seinem Prunkgemach auf einem kniehohen Podest stand. Mit einer hastigen Bewegung riss er den Vorhang zur Seite, um mehr Licht hereinzulassen und die verstörenden Traumbilder der Nacht endgültig zu vertreiben.
    Nun nahm er auch den schwachen Feuerschein wahr, der aus dem mit cremeweißem Marmor verkleideten Kamin zu ihm drang und der sich mit dem winterfahlen Dezemberlicht zu einem verschwommenen Dämmerschein mischte. Im Kamin brannte noch immer der ciocco, der traditionelle Weihnachtsklotz, der in seinen herzoglichen Gemächern jedoch den Umfang eines ausgewachsenen Baumstammes besaß. Deshalb mühten sich Glut und einige beharrliche Flammen noch immer damit ab, ihn in einen Haufen Asche zu verwandeln.
    Es war der 26. Dezember, der Festtag des heiligen Stephanus. An diesem Vormittag wollte er in San Stefano dem feierlichen Hochamt zu Ehren des ersten christlichen Märtyrers beiwohnen und sich an dem himmlisch schönen Gesang seines dreißigköpfigen Chors bildhübscher Knaben erfreuen, den er aus dem Norden Europas hatte kommen lassen und geradezu fürstlich bezahlte.
    Allmählich beruhigte sich sein Herz und sein schlanker, athletischer Körper, den er nach römischer Sitte stets glatt rasiert trug, sank mit einem Seufzer der Erleichterung zurück in die Flut aus seidigen Kissen. Als sein ausgestreckter Arm dabei nicht auf die nackte, warme Haut eines anmutigen Körpers traf, wurde ihm bewusst, dass er allein unter dem wappengeschmückten Baldachin lag. Er atmete tief durch und dankte im Stillen dem Zufall oder auch der Vorsehung dafür, dass keine seiner Gespielinnen miterlebt hatte, wie er so beschämend schreiend aus dem Schlaf hochgefahren war. Die Weiber waren bekanntlich klatschsüchtig und so hätte diese Geschichte schnell die Runde gemacht an seinem Hof. Womöglich hätte sie bei manch einem missgünstigen Statthalter, der in seiner Brust heimlich höhere Ziele als die Herrschaft über eine kleine Grafschaft nährte, gar die ebenso irrige wie gefährliche Vermutung aufkeimen lassen, er, Galeazzo Maria Sforza, der zweiunddreißigjährige Herzog von Mailand und unerschrockene Herrscher über die Lombardei, würde sich fürchten. Und ein Herrscher, der sich fürchtete, hatte sich noch nie lange an der Macht gehalten, wie das Studium der Geschichte nachdrücklich lehrte.
    »Diesem heuchlerischen und
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