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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Eintreffen beseitigen können, aber wie es zu diesem Feuer hatte kommen können, war ein Rätsel geblieben.
    Und dann die Sache mit den drei Krähen! Sie hatte sich in der Nähe des Dorfes Abbiategrasso ereignet, kurz nach dem Feuer. An jenem Tag war er mit seinem Gefolge über die Felder geritten, als plötzlich drei große Krähen aufgetaucht und ungewöhnlich tief über seinem Kopf hinweggeflogen waren – aufreizend langsam noch dazu, als hätten sie ihn verhöhnen wollen mit ihrem Krächzen. Er hatte sogleich zu seiner Armbrust gegriffen und zwei Pfeile auf die Vögel abgeschossen, aber sein gutes Auge und seine Treffsicherheit hatten ihn an diesem Tag im Stich gelassen.
    Einen Augenblick lang war Galeazzo unschlüssig, ob er dem Rat seines treuen Kanzlers und engsten Vertrauten folgen und nun doch auf das Hochamt in San Stefano verzichten sollte. Aber wenn er seinen Besuch jetzt plötzlich absagte, würde man an seinem Hof zu tuscheln beginnen und Mutmaßungen über seinen unverhofften Sinneswandel anstellen. Und wie stand er dann da vor den Botschaftern und Würdenträgern, die als Abgesandte von befreundeten und weniger befreundeten Regierungen zurzeit an seinem Hof weilten und die jedes herzogliche Tun und jedes Zögern nach einer versteckten Bedeutung untersuchten und geheime Berichte für ihre Signori in der Heimat abfassten. Und auch die Bevölkerung von Mailand würde sich wundern und sich das Maul zerreißen, warum er die lange Reise auf sich genommen hatte, um rechtzeitig zum Weihnachtsfest wieder in der Stadt zu sein, sich dann aber nicht auf den Straßen und in der Kirche zeigte. Nein, diese Blöße durfte er sich nicht geben!
    »Es bleibt dabei, Cicco!«, sagte er entschlossen. »Wir alle werden mit dem Hochamt das Gedächtnis an den heiligen Stephanus ehren und bewahren und uns von meinen auserlesenen Chorknaben, deren glockenklare und harmonische Stimmkraft selbst in Rom ihresgleichen sucht, einen Vorgeschmack auf den himmlischen Gesang der Engel geben lassen.«
    Er sollte mehr als nur einen Vorgeschmack auf das Jenseits bekommen. Denn dieser 26. Dezember 1476 war für Herzog Galeazzo Maria Sforza der Tag, dem keine Nacht mehr folgen sollte.
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    1 Der Soldo (Mehrzahl Soldi) war eine im alltäglichen Leben gebräuchliche Silbermünze. Zwölf Piccioli/Denari ergaben einen Soldo. Das Geldstück entsprach im weitesten Sinne der heutigen Euromünze, wobei ein Soldo jedoch viel höhere Kaufkraft besaß, wegen des nicht gleichbleiben den Silbergehalts jedoch auch starken Schwankungen ausgesetzt war.
    2 Ein speziell ausgebildeter Schmied, der sich auf die Herstellung von Helmen, Brustharnischen und anderen Teilen von metallenen Rüstungen versteht
    3 Anführer, Hauptmann von Söldnertruppen
    4 Anrede: Herr. Hier jedoch anders als die gewöhnlich respektvolle Anrede im Sinne von Herr und Gebieter, wie sie einem Fürsten oder einem ähnlich mächtigen Mann zukam
    5 Abkürzung für die altitalienische Ehrenbezeichnung Messer, die eigentlich nur Rittern und Notaren zustand, die sich aber im 15. Jahrhundert schon als allgemein gebräuchliche respektvolle Anrede für hochgestellte oder besonders angesehene Personen eingebürgert hatte
    6 Der Dunkle, Schwarze
    7 Ein Wams ist eine jackenähnliche Oberbekleidung. Gewöhnlich waren die Wämser kurz und körperbetont, mit Baumwolle gefüttert und abgesteppt. Sie wurden mit Schnüren geschlossen bzw. mühsam zugenestelt.
    8 Auch eine Art Wams
    9 Mantel, Umhang

4
    A ls Fiora die Kreuzung der breiten Via Belli Sporti mit der viel schmaleren Via dei Ferravecchi erreichte, hielt sie kurz inne und genoss den Anblick, der sich ihr an diesem Morgen bot. Wie ein riesiges indigoblaues Seidentuch, das frisch gefärbt aus den mächtigen Holzbottichen der Färber von Santa Croce hoch über den Dächern und Kirchturmspitzen zum Trocknen aufgehängt worden war, spannte sich der Winterhimmel an diesem 26. Dezember über der Stadt.
    Aber wenn der Himmel auch sonnig klar war, so hatte der Wind, der über die Plätze und durch die Gassen fuhr, einen frostigen Biss und Fiora war froh über das Kaninchenfell, das der Kragen ihres knöchellangen Wollumhanges als bescheidenen Besatz trug, auch wenn das Fell an einigen Stellen schon abgewetzt und arg dünn geworden war.
    Die rotbraunen Ziegeldächer der Häuser leuchteten im milden Morgenlicht, als steckte darin noch ein Rest der Glut aus dem Brennofen, in dem sie einst gebrannt worden waren. Selbst die schmalbrüstigen, oftmals über
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