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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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lässt?«
    »Hässlichkeit schändet nicht die Seele, aber eine schöne Seele adelt den Leib, Hoheit«, antwortete Simonetta ausweichend und deutete eine würdevolle Verbeugung an. »Wobei ich jedoch betonen möchte, dass Euch sowohl eine schöne Seele wie auch ein vollkommener Leib gegeben sind.«
    Simonetta trug schwarze Beinkleider und über einem abgesteppten flaschengrünen Wams 7 einen mit Fuchspelz gefütterten Umhang aus schwarzem Samt. Aus demselben schwarzen Samt war auch seine Rundkappe gearbeitet, die wie der Umhang mit kostbarem Fuchspelz geschmückt war. Unter dem linken Arm trug er eine lederne Schriftmappe.
    Der Kanzler, in dessen Händen alle Regierungsgeschäfte des reichsten Herzogtums Italiens lagen, war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil seines Herrn. Während Galeazzo Maria Sforza mit seinen zweiunddreißig Jahren in der Blüte des Lebens stand, sich einer stattlichen Statur erfreute und volles hellbraunes Haar besaß, war Cicco Simonetta ein stämmiger, untersetzter Mann von Sechsundsechzig Jahren mit einem zerfurchten Gesicht, das einem Stück ausgebleichten Treibholzes glich, und schütterem ergrautem Haar. Und während der Herzog für sein aufbrausendes Temperament und seine Neigung zu unbesonnenem Handeln bekannt war, gab es in ganz Italien wohl kaum einen fähigeren Kanzler als Cicco Simonetta. Er beherrschte die hohe Kunst der Diplomatie und der wohldurchdachten Ränkespiele wie kein Zweiter.
    Er hatte schon Galeazzos Vater Francesco gedient, als dieser noch als Söldnerhauptmann durch die Lande gezogen war. Und wie er dessen tutta fidenza besessen hatte, so genoss er seit Francescos Tod auch das uneingeschränkte Vertrauen von dessen Sohn Galeazzo. Nach über drei Jahrzehnten im Dienst der Sforza war er längst mehr als nur ein Kanzler, der die politischen Geschäfte führte. Für viele war er die graue Eminenz von Mailand, der Mann, der eigentlich die Macht im Herzogtum in Händen hielt.
    Galeazzo verzog das Gesicht und erwiderte spöttisch: »Diplomatisch wie immer. Viel reden, ohne etwas Konkretes zu sagen, und nur ja niemandem schmerzhaft auf die Zehen treten, solange nicht klar ist, wo der eigene Vorteil liegt – darin seid Ihr der unumstrittene Meister! Aber ich hatte Euch nicht nach meinem Leib und meiner Seele gefragt, sondern ob mir der Schmuckharnisch zu Gesicht steht oder ob er mich wie einen aufgedunsenen Kadaver aussehen lässt!«
    Das zerfurchte Gesicht des Kanzlers nahm einen Ausdruck des Bedauerns an. »Für Fragen der Mode ist meine Person die wohl denkbar ungeeignetste Adresse, Eminenz.«
    Galeazzo winkte ab. »Schon gut. Ich weiß auch so, dass der Harnisch mich fett macht.« Er wandte sich wieder seinem Kammerdiener zu. »Schaff ihn mir aus den Augen, Bernardino! Und vergiss auch das verdammte Kettenhemd!«
    »Ja, aber …«
    »Kein Aber! Bring mir den warmen farsetto 8 aus karmesinroter Wolle, den, der mit Zobel gefüttert ist, und den dazu passenden mantello 9 ! «
    Der Kammerdiener seufzte resigniert, nickte und entfernte sich rasch.
    »Könnt Ihr mich denn nicht wenigstens an einem hohen Festtag in Ruhe lassen mit Euren Papieren, Cicco?«, fragte Galeazzo verdrossen, als er sah, dass dieser zu seiner Schriftenmappe griff.
    »Ich bedaure, Euch damit belästigen zu müssen, Hoheit, aber die Regierungsgeschäfte ruhen nie, auch nicht an Festtagen.«
    Galeazzo zuckte mit den Achseln. »Tut, was Ihr meint, Cicco, aber mich lasst in Ruhe damit! Das wird warten müssen, bis ich vom Hochamt in San Stefano wieder zurück bin.«
    Als hätte der Herzog ihm damit ein Stichwort gegeben, bedrängte ihn nun auch sein Kanzler, vom Ritt hinunter in die Stadt und vom Besuch der Messe tunlichst abzusehen.
    »Kommt Ihr mir nicht auch mit dem schlechten Wetter!«, fiel Galeazzo ihm ungnädig ins Wort. »Das hat schon der gute Bernardino vergeblich versucht.«
    »Dann denkt aber wenigstens an die Zeichen, die Ihr in den vergangenen Tagen erhaltet habt«, entgegnete Cicco Simonetta mit sorgenvoller Miene. »Es sind Zeichen, die zu erhöhter Wachsamkeit und Vorsicht mahnen. Denkt an das Feuer und an die drei Krähen!«
    Das Gesicht des Herzogs verdüsterte sich. Das Feuer und die drei Krähen, die ihn in seinem Albtraum heimgesucht hatten, waren keine leicht wegzuwischenden Traumbilder mehr. Vor wenigen Wochen war hier in seinem Schlafgemach tatsächlich ein Feuer ausgebrochen. Zwar hatte die Dienerschaft den Brand rasch löschen und die Schäden noch rechtzeitig vor seinem
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