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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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undankbaren Pack, das einem die Stiefel leckt und unverbrüchliche Treue schwört, während es insgeheim voller Arglist auf Zeichen meiner Schwäche lauert, werde ich es zeigen! Ich werde die feine Bande aus ihren warmen Betten jagen und sie dazu zwingen, mit mir nach San Stefano zu reiten!«, murmelte er grimmig und griff nach der Quaste des breiten Klingelbandes aus goldenem Brokat, das am Kopfende vor der holzgetäfelten Wand herabhing. Er wusste, was er seinem Namen und seinem seligen Vater schuldig war, der sich vor mehr als zwanzig Jahren als furchtloser condottiere 3 an der Spitze eines schlagkräftigen Söldnerheeres die Herrschaft über die Lombardei blutig erkämpft hatte.
    Bernardino Corio, sein Kammerdiener, erschien auf der Stelle, als hätte er hinter den hohen Flügeln der Kassettentür auf das Klingelzeichen seines Herrn gewartet. Bernardino, der von seiner Statur und seiner Kraft her auch Dienst in der handverlesenen herzoglichen Leibgarde hätte leisten können, zog die Stirn in Falten, als er hörte, dass sein Herr dem schlechten Wetter trotzen und hinunter in die Stadt zum Hochamt reiten wollte.
    »Das solltet Ihr Euch vielleicht noch einmal gut überlegen, signore 4 « , sagte Bernardino besorgt. »Es ist bitterkalt. Der Schnee ist gefroren und mit milderem Wetter ist nicht so bald zu rechnen.«
    »Sei’s drum, ich reite zum Hochamt nach San Stefano! Basta! Und wenn es stürmt und hagelt, als wollte die Welt untergehen!«, betonte Galeazzo und fügte bissig hinzu: »Und keiner aus meinem Hofstaat soll es wagen, sich davor zu drücken! Die undankbare Bande soll sich gefälligst warm anziehen und vollzählig zur Stelle sein, wenn es Zeit ist zum Aufbruch!«
    Der Kammerdiener neigte beflissen den Kopf. »Sehr wohl, Signore, ich werde Eure Anweisung sofort weitergeben«, sagte er. Ein verstohlenes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Er wusste sehr wohl, wen sein Herr mit der Bezeichnung undankbare Bande meinte und warum er sie so titulierte: all die vielen Edelleute und hochgestellten Persönlichkeiten aus der Lombardei, die dem Herzog Untertan waren, die in ihrer Raffgier nie genug bekommen konnten und die sich zu Weihnachten in Erwartung großzügiger Geldgeschenke am Mailänder Hof eingefunden hatten. Doch in diesem Jahr waren die noblen Herren leer ausgegangen. Zuerst ungläubig und mit sprachloser Verblüffung, dann aber mit missmutigem Gesichtsausdruck und tiefer Verärgerung hatten sie auf die bittere Überraschung reagiert, dass ihr Herzog Galeazzo Maria Sforza diesmal nicht in der Stimmung war, ihnen, wie sonst, die Taschen bereitwillig zu füllen.
    Galeazzo verharrte noch eine Weile im Bett und leerte einen Kristallpokal mit heißem Gewürzwein, während Bedienstete das Feuer im Kamin schürten, geschwind die dreibeinigen Kohlebecken rechts und links vom Waschtisch mit glühender Holzkohle füllten, bauchige Krüge mit warmem und kaltem Wasser hereintrugen und vorgewärmte Tücher neben die silberne Waschschüssel legten. Dann erst schlug er die Decken zurück und bequemte sich aus dem Himmelbett.
    »Ser 5 Cicco Simonetta wünscht Euch zu sprechen, Signore«, meldete Corto, der hünenhafte Leibgardist, der mit umgürtetem Schwertgehänge an der Tür Wache hielt. Wegen seiner ebenholzfarbenen Hautfarbe wurde er auch Il Moro 6 gerufen.
    Galeazzo seufzte. »Soll kommen!«, rief er zurück und machte eine herrisch knappe Handbewegung. Dabei wandte er seinen kritischen Blick nicht von seinem Abbild im bodenlangen Spiegel. Er trug schon die Beinkleider aus feinstem florentinischem Gewebe. Der linke Strumpf leuchtete so rot wie Blut, der rechte so weiß wie Schnee. Rot und Weiß waren die Farben der Sforza. An den Beinkleidern hatte er nichts auszusetzen, ganz im Gegensatz zu dem prachtvollen Schmuckharnisch, den Bernardino ihm vor die Brust hielt. Zwar war er aus feinstem Silber gehämmert und zudem noch reich vergoldet, aber es gefiel ihm nicht, dass seine sehnig schlanke Figur darunter nicht zur Geltung kam.
    »Nein, den lege ich nicht an«, sagte er verdrossen und schob den Brustharnisch von sich.
    »Aber er schmückt Euch und dient zudem Eurer …«, versuchte der Kammerdiener einzuwenden, doch dann brach er ab, weil Cicco Simonetta das Gemach betrat.
    »Er schmückt mich ganz und gar nicht! Vielmehr macht er mich fett!« Galeazzo zog den Schmuckharnisch noch einmal vor seine Brust und wandte sich zu seinem Ersten Sekretär und Kanzler um. »Findet Ihr nicht auch, dass er mich fett aussehen
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