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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Autoren: Giovanni Tizian
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VORWORT
    Salven aus Maschinenpistolen, Schauer von Glassplittern. Schüsse hallen durch die Nacht, die noch kurz zuvor eine von vielen zu sein schien. Aber in Duisburg ist nach dieser Nacht des 15. August 2007 nichts mehr, wie es einmal war. Für einen Moment zerreißt der undurchdringliche Mantel des Schweigens, der eine der geheimnisvollsten und mächtigsten Mafia-Gruppierungen Italiens, die ’Ndrangheta, normalerweise umgibt. Jenseits aller Relativierungen wird plötzlich für jeden sichtbar, dass eine mächtige kriminelle Organisation aus dem Ausland auf deutschem Boden nicht nur längst Fuß gefasst hat, sondern hier auch ihre blutigen Auseinandersetzungen austrägt. Die von Kugeln durchsiebten Leichen, die Blutlachen auf dem Vorplatz der Pizzeria
Da Bruno
und der Korditgeruch, der über den sechs Toten hängt: Das alles sind Bestandteile jenes mafiatypischen Szenarios aus verletzter Ehre, millionenschweren Geschäften und archaischen Riten, dessen tödliche Konsequenzen nun auch in Deutschland unübersehbar sind. Ein Szenario, das von ungebremster Machtgier kündet, die auf niemanden Rücksicht nimmt. Weder auf Junge noch auf Alte. Wer von der ’Ndrangheta, der Mafia Kalabriens, profitiert, der bezahlt dafür im Zweifelsfall mit dem Leben.
    Das Killerkommando musste das von einem gegnerischen Clan geführte Restaurant nicht einmal betreten. Sie warteten davor, im Dunkel dieser warmen Augustnacht. In ihren Händen der Pistolen Marke Beretta. In Herz und Hirn jahrzehntelanger Hass, der Adrenalin freisetzt. Es wirkt wie eine Droge. Eine Droge, die Wahnvorstellungen schürt.
    Die Killer schlugen die Wartezeit tot, indem sie eine Zigarette nach der anderen rauchten. Während die Zeit verstrich, wuchs ihre Nervosität, aber auch der Wille, die chronische Fehde hier in Deutschland ein für alle Mal zu beenden. Deren Anfang lag 16 lange Jahre zurück. Die Zeitungen bezeichneten den Beginn der kriegsähnlichen Attentatsserie damals als eine aus dem Ruder gelaufene »Karnevalsprügelei«, aus der in kürzester Zeit tödlicher Ernst wurde.
    Abgesehen von dem Ehrbegriff, der die Organisation prägt, und den folkloristischen und traditionellen Aspekten der Mafia Kalabriens, ist es jedoch für den Machterhalt eines Mafia-Clans schon immer entscheidend gewesen, sich andere Clans gefügig zu machen. Es galt, den Feind zu vernichten und auf diese Weise Städte wie San Luca, Bovalino, Rom, Duisburg, Erfurt, Lissabon und Valencia zu erobern. Praktische Gründe also, verklausuliert als Verletzungen der ehernen Regeln der »Gesellschaft«, führten Giovanni Strangio und Giuseppe »Charlie« Nirta vor das Restaurant
Da Bruno
, das dem konkurrierenden ’Ndrangheta-Clan der Pelle-Vottari gehörte.
    Das
Da Bruno
war ein von Clan-Hierarchen geweihter, sicherer Ort, an dem man Spezialitäten der italienischen Küche genießen konnten. Im Kellergeschoss des Lokals, über das eine Statue des Heiligen Erzengels Michael wachte, wurden dagegen neue Mafia-Mitglieder den Aufnahmeriten unterzogen, sogenannte
Contrasti Onorati
, Mitläufer, die sich in den Augen der Bosse verdient gemacht hatten. Aber im
Da Bruno
wurden auch Waffen gelagert. Beispielsweise ein Sturmgewehr Kaliber 5,56 Millimeter mit vier Magazinen, bestückt mit neunzig Schuss Munition. Waffen, wie sie sonst nur Spezialeinheiten von Polizei und Militär verwenden.
    Der Heilige Michael wurde 1950 von Papst Pius XII. zum Schutzpatron der Polizei erklärt. Schon sehr viel länger dient der Erzengel den Mafiosi aus Kalabrien als Götzenbild. Eine Postkarte mit seinem Konterfei wird traditionell während des Aufnahmerituals verbrannt. Auf diesen Bildern ist der Heilige mit einem Schwert und der Waage der Gerechtigkeit zu sehen, während er das von einem Drachen symbolisierte Böse mit dem Fuß zerstampft. Für Polizisten verkörpert der Drache das Verbrechertum, und in Fällen wie diesem die ’Ndrangheta. In den Augen der Mafiosi wiederum steht der Drache für die Verräter, die als Kronzeugen die Regel des Schweigegebots brechen und sich dem Clan nicht länger bedingungslos unterwerfen. Gegen diesen speziellen Drachen kämpft die »Gerechtigkeit« der Mafien. Damit deuten die Mafiosi das religiöse Wertesystem um und stilisieren ihre Männer zu Racheengeln.
    »Charlie« und Giovanni, zwei junge Männer, die im Schatten des Aspromonte und an der Küste des Ionischen Meeres aufwuchsen, rückten mit kaum 18 Jahren zu »Ehrenmännern« auf. Und jetzt sind sie hier in Deutschland und
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