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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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offizielle Version?«, fragte ich mit einem Gähnen.
    »Du bist nie da gewesen. Er hat erst sie, dann sich erschossen. Basta.«
    »An irgendwelchen Fäden gezogen?«
    »Noch nicht. Wir glauben, dass es ziemlich überzeugend wirkt, insbesondere angesichts ihrer … Historie.«
    »Aufrichtigen Dank.«
    »Ich halte das alles nach.«
    »Sie wollte, dass er sie umbringt«, erklärte ich. »Ich dachte die ganze Zeit: Warum tut sie das bloß? Warum erzählt sie ihm die ganze Scheiße? Aber das war es, was sie wirklich wollte, sie wollte, dass einer von uns beiden durchdreht.«
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Ja, ich weiß. Irgendwann hätte sie eine andere Möglichkeit gefunden.«
    »Nein, ich meine, du hättest ihr nicht helfen können.«
    »Tja …« Ich sah ihn kurz an. »Der Zug ist abgefahren. Sinnlos, da noch drüber nachzudenken. Muss nur noch Matt finden, dann kann ich vergessen, was …«
    »Ich glaube nicht, dass du Matt finden musst.«
    Mark wirkte müde, ich wollte mich nicht mit ihm streiten. Ich hatte ihm noch nicht erzählt, dass ich Matt praktisch hatte laufen lassen, und war mir nicht sicher, ob ich das je tun würde. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich das wirklich getan hatte … Ich sah die weißen Risse, die die Putzmittel auf seinen Handrücken hinterlassen hatten, und wechselte das Thema, wollte das Problem auf später verschieben.
    »Und, wie lange seid ihr schon dabei, du und Katz?«
    » Dabei ?« Er grinste vor sich hin, ungewohnt verschämt. »Hm, er hat gesagt, du wüsstest Bescheid. Ganz genau kann ich es nicht sagen, ich schätze, seit wir uns kennengelernt haben, fast von Anfang an, aber da wir in unterschiedlichen Ländern leben, sehen wir uns nicht sehr oft, von daher …«
    »Und, glücklich?«
    Er machte ein spöttisches Gesicht, und ich wurde rot.
    »Na, ich frag ja bloß«, sagte ich. »Will nur höflich sein.«
    »Nichts für ungut, Nic, aber …« Zum ersten Mal überhaupt hatte Mark keine Antwort. Verlegen zupfte er an einem Haarbüschel. »Lass mich einfach in Ruhe, okay?«
    »Super, gute Ablenkung, echt geschickt.« Ich hob die Augenbrauen. »Glaubst du an die Ehe?«
    Er lachte mich an. »Leicht belastet, die Frage, jetzt, oder? Nein, ich glaube nicht an die Ehe. Wenn man Kinder hat, dann hat man eine Verpflichtung, aber allein in dem Blatt Papier sehe ich keinen Garanten für eine dauerhafte Bindung. Was soll man daran respektieren?«
    »Gut, ich verstehe dich.«
    »Und ja, ich bin glücklich. Man macht das Beste aus dem, was man hat. Die Welt dreht sich nun mal nicht um meine scheiß Befindlichkeit, man guckt einfach … dass man irgendwie klarkommt.« Er zuckte die Achseln. »Sie wollte sterben. Sie hat von Anfang an darauf hingearbeitet. Wahrscheinlich hat sie sogar gedacht, du würdest es für sie tun und nicht Pat, stimmt’s?«
    »Stimmt.« Die Vorstellung, dass sie sich nur wegen meines Jobs mit mir abgegeben hatte, weil sie wusste, dass ich von Natur aus zu Gewalt neigte, machte mich unendlich traurig. »Pat hat in ihrem ganzen beschissenen Leben nie Hand an sie gelegt, trotzdem werden die Leute das jetzt erst recht glauben. Er hat sie geschlagen, hat sie umgebracht … Weißt du, dass sie sich die Treppe runtergestürzt hat? Nicht er hat sie ins Krankenhaus gebracht.«
    Mark sah mich mit seinen erschöpften, blutunterlaufenen Augen ernst an.
    »Lass es einfach gut sein.«
    »Ich weiß « , sagte ich und betastete die Narbe am Haaransatz. »Ich muss das einfach … im Kopf klarkriegen.«
    »Okay.« Er nickte in Richtung der Uhr auf dem Kaminsims. Es war viertel nach drei. »Versuch ein bisschen zu schlafen, ja?«

37
    Ich hatte Emmas Stimme noch nie gehört.
    Das war eine groteske Erkenntnis: So viel Zeit hatte ich in ihren Fall investiert, doch ich hatte sie niemals ein einziges Wort sagen hören. Ich hatte sie zwar auch nie in Bewegung gesehen, aber es war dennoch viel überraschender, ihre Stimme zu hören.
    »Mum, hör auf! Du bist echt total gemein!«
    Das erste, was ich sie sagen hörte. Sie hatte eine sehr artikulierte Art zu sprechen, die mich an Pat erinnerte.
    Ich setzte den Film zurück, lauschte, ob Mark schon da war, und spielte ihn noch mal ab.
    Mein Handy lag neben mir auf dem Sofa. Vor ein paar Stunden hatte ich eine SMS bekommen:
    SORRY DASS ICH LETZTENS SO ZICKIG WAR. HOFFE DU BIST GESUND UND MUNTER. DAISY X.
    Es liefen die Doors, dasselbe Stück wie beim ersten Mal, als sie für mich getanzt hatte. Ein roter Rock, der sich im Drehen bauschte, war
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