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Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Titel: Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
Autoren: Wolfgang Ecke
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Ein unerwarteter Besuch

    Das Haus Starplace Nr. 14 befindet sich im Stadtteil Nor-ood. Es ist ein alter, grauer Steinklotz mit fünf Etagen. Eine Menge dunkler Stellen zeigt, wo der Außenputz schon abgebröckelt ist. Es ist alles andere als ein schönes Haus. Und doch hat es auch seine Vorzüge.
    Sieht man vom obersten Stock in südlicher Richtung, fällt der Blick bis auf die breite Asphaltstraße, die nach Croydon zum Flugplatz führt. Der vierte Stock umfaßt drei Wohnungen. Die kleinste davon bewohnt der Junggeselle Perry Clifton.
    Perry Clifton mißt vom Fuß bis zum Scheitel stattliche einhundertzweiundachtzig Zentimeter. Er ist schlank, immer gut rasiert und wirft den Schlagball einhundertundzwölf Meter weit. Eine Tatsache, die bei Dicki Miller allergrößte Bewunderung findet. Aber nicht nur das allein ist es, was ihm Begeisterung abnötigt. Für ihn ist Perry Clifton der größte aller Detektive.
    Eine Überzeugung, die Dicki Miller bei jeder passenden Gelegenheit mit Nachdruck zum besten gibt. Und er muß es schließlich wissen. Ist er nicht Perrys bester Freund? Jawohl, das ist er. Trotz seiner zwölf Jahre und der neunundzwanzig Sommersprossen über der Stupsnase*
    Keiner seiner Schulkameraden kann als Freund einen waschechten Warenhausdetektiv vorweisen. Und dazu noch einen, der nicht nur imstande ist, kleine Warenhausdiebe zu fangen, sondern auch schon große schwierige Fälle gelöst hat…
    Da Dicki mit seinen Eltern sozusagen Tür an Tür mit Perry Clifton wohnt, vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht seinem Freund einen Besuch abstattet. Doch an diesem Sonntag, es ist der 14. Juli kurz nach elf Uhr, ist es nicht Dicki Miller, der an Perry Cliftons Tür klopft.
    Perry runzelt verwundert die Stirn und legt die Sonntagszeitung beiseite. Er erwartet niemand. Er hat weder jemand eingeladen noch sich mit jemandem verabredet. Und von Dicki weiß er, daß dieser mit seinen Eltern heute morgen weggefahren ist.
    Das Klopfen wird drängender, und Perry erinnert sich, die Türglocke abgestellt zu haben. Mit raschen Schritten geht er zur Tür und öffnet. Und fast im gleichen Augenblick fährt er überrascht zurück:
    „Hallo, Sir…“stottert er und bleibt wie festgenagelt stehen, während seine Augen auf dem unerwarteten Besucher ruhen, als müsse er sich vergewissern, daß er keiner Sinnestäuschung zum Opfer gefallen ist.
    „Morgen, Mister Clifton!“ schnauft der Besucher ein wenig kurzatmig und fährt sich mit einem seidenen Tuch über die schweißnasse Stirn. „Es wäre nett, wenn Sie mich einließen!“
    Perry Clifton schluckt erschrocken, und mit einer einladenden Geste tritt er beiseite.
    „Bitte, Sir… Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin…“
    „Überrascht!“ vollendet der Besucher und tritt ein. Dabei stellt er aufseufzend fest:
    „Das Schlimmste an diesen alten Mauerwerken ist, daß sie keinen Fahrstuhl haben… Und wenn man dann auch noch bis in den vierten Stock klettern muß, ist man für den Rest des Tages erledigt!“
    Perry Clifton nimmt seinem Besucher Hut und Schirm ab. Während er beides zur Garderobe bringt und seine Lippen ein „man gewöhnt sich daran“ (gemeint sind die vier Treppen) murmeln, überlegt er krampfhaft, was wohl seinen obersten Chef veranlaßt haben könnte, an einem Sonntagvormittag einen kleinen Angestellten in dessen Wohnung aufzusuchen.
    Sir Adam Walker, Präsident und leitender Direktor des Londoner Mammutkaufhauses Johnson & Johnson, scheint Perrys Verwirrung Spaß zu machen. Er hat es sich in einem Sessel bequem gemacht und lächelt Perry Clifton freundlich zu. Er zeigt dabei auf den zweiten Sessel:
    „Nun stehen Sie nicht wie ein Denkmal herum, lieber Clifton. Setzen Sie sich!“
    Bei dem „lieben Clifton“ hat Perrys Verwirrung noch um einiges zugenommen, und ihm fällt weiter nichts darauf ein als zu fragen:
    „Bitte, Sir, darf ich Ihnen vielleicht eine Tasse Tee anbieten?“
    Sir Adam verzieht angeekelt das Gesicht und brummt:
    „Hm… muß das unbedingt sein? Das ist nämlich das einzige, was mir der Arzt nicht verboten hat.“
    Perry lächelt Sir Adam verständnisvoll an. Alle Befangenheit ist plötzlich wie fortgeblasen.
    „Verstehe, Sir, dann muß ich Ihnen einen Whisky aufdrängen!“
    „Whisky?… Hm…“ Walker wiegt bedächtig sein Haupt… „Gegen einen solchen Zwang bin ich natürlich machtlos.“
    Und fröhlich blinzelt er Perry zu.
    „Was darf es sein, Sir? Englischer, irischer, schottischer oder —
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