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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut
Autoren: Marcel Feige
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Ohne ein Wort …« Sie nahm hastige, gierige Züge von der Zigarette. Ihre Hände zitterten. Im Badezimmer rauschte erneut die Klospülung. »Er ist in die USA geflogen. Er hat dort diese Ausbildung gemacht. Aber das wissen Sie ja sicherlich.«
    »Von dem FBI-Lehrgang hat er Ihnen aber erzählt?«
    »Nein, auch davon habe ich erst später erfahren. Und nur durch Zufall. Das war typisch für ihn: Er hat nie über sich gesprochen. Er war so … verschlossen und, ja, ich glaube auch gefühllos. Nur die Arbeit war ihm wichtig. Verbrecher und Mörder. Und seine Familie. Max, der …«
    »Sein Bruder?«, unterbrach Sera.
    »Ja, ständig ging es nur um seinen Bruder. Musik hier. Oper dort. Diese ganze Sache damals und …« Tania Herzberg stöhnte auf und musterte Sera. Die Zigarette glomm vergessen zwischen ihren Fingern. Weil Sera schwieg, fuhr die Journalistin fort: »Aber was ihn selbst bewegte, Roberts Gedanken, seine Gefühle, darüber verlor er kaum ein Wort. Schon komisch, oder? Ein Psychologe sollte es besser wissen.«
    »Haben Sie ihn gesprochen, nachdem er nach Amerika geflogen war?«
    »Vor drei Tagen habe ich die ersten Worte seit seinem Verschwinden mit ihm gewechselt.« Tania Herzberg bemerkte jetzt wieder die Zigarette und legte sie, ehe die Asche auf ihre Kleider fallen konnte, in einen Aschenbecher.
    Warum hatte Babicz seine Beziehung zu Frau Herzberg – und Hagen Rething! – verschwiegen?, fragte sich Sera. Und was verschwieg er noch? Was verbindet Sie mit Frank Lahnstein? Kannten Sie Stanislaw Bodkema? Ein Mann mit seiner Erfahrung hätte doch wissen müssen, dass derartige Verbindungen früher oder später ans Licht kamen.
    Okay, zugegeben, auch Sera hatte ihren Kollegen Informationen vorenthalten. Na ja, ich habe da was läuten hören. Doch mit einem kleinen Unterschied: Sie war niemals unter Verdacht geraten. Vielleicht hattest du einfach nur Glück?
    Als er vor drei Tagen das erste Mal auf Tania Herzberg traf, hätte Babicz ahnen müssen, welche verhängnisvollen Auswirkungen die Vergangenheit haben konnte – vor allem, wenn ein gerissener Verbrecher wie der … Knochenmann im Spiel war. Vorausgesetzt, es gab ihn tatsächlich. Denn alle Spuren deuten nur in eine Richtung.
    Sera drehte sich zum Badezimmer um. War es möglich, dass Dr. Babicz der Killer war? Reagiert so ein mehrfacher Mörder? Indem er aufs Klo rennt und sich übergibt?
    »Wie geht es ihm?«, fragte sie Gesing.
    Ihr Kollege ging durch die Diele zum Badezimmer, klopfte an die Tür. »Dr. Babicz, alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Der Psychologe antwortete nicht.
    Gesing hämmerte gegen die Tür. »Dr. Babicz?«
    Keine Reaktion.
    Gesing sah Sera verunsichert an. Als sie nickte, zog er das Bein an und wuchtete den Fuß schlagartig nach vorne. Es krachte, als die Tür zerbarst.
    Das Badezimmer war leer.

115
    Plötzlich brach um Tania herum ein hektisches Durcheinander aus. Die Kommissarin wies wütend Beamte an, den Hinterhof zu durchkämmen, die Straßen in der Nähe abzusuchen und bloß nicht den nahen U-Bahnhof zu vergessen. Im gleichen Augenblick hetzten die Polizisten schon aus dem Haus. Nur einer blieb bei Tania zurück.
    Ihr Blick fiel ins Badezimmer, und erst jetzt begriff sie, was passiert war. Robert hatte durchs Toilettenfenster das Weite gesucht, war am Fensterbrett hinabgeklettert und hatte sich auf das Schuppendach fallen lassen. Von dort war es bis zum Boden und den Charlottenburger Hintergärten nur noch ein kleiner Sprung gewesen.
    Ein bedrückendes Gefühl legte sich um Tanias Hals und schnürte ihr die Luft ab, ließ ihr gerade noch genug zum Atmen.
    Hatte Robert tatsächlich die Gräueltaten auf dem Gewissen? Hat er Hagen getötet? Die Polizei schien gute Gründe für diese Annahme zu haben, und Tania besaß nichts, was Robert entlastete. Weil sie ihn nicht kannte, nie kennengelernt hatte. Und das, obwohl du mal mit ihm verlobt gewesen bist!
    Sie griff nach dem Glas Wasser, das Robert ihr vorhin geholt hatte, und trank. Doch auch das spülte die Beklemmung nicht fort. Sie brauchte frische Luft.
    Mit dem Glas in der Hand verließ sie die Wohnung. Niemand hielt sie auf. Der Polizist stand noch immer am Badezimmerfenster und spähte in den Hinterhof.
    Als sie auf die Straße trat, füllte sie ihre Lungen mit Sauerstoff. Er schmeckte nach Abgasen. Das Rauschen der Avus dröhnte in ihren Ohren.
    Sie nahm einen weiteren Schluck Wasser. Jetzt schmeckte es ihr besser. Sie legte ihren Kopf in den Nacken, so dass die
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