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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut
Autoren: Marcel Feige
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aufgegeben worden. Im staubigen Wind Nevadas verrotteten sie wie Haufen bleicher Knochen.
    »Ist es wirklich wahr?«, fragte Blunt. »Er häutet seine Opfer? Bis auf die Knochen?«
    »Häuten: ja.« Roberts Blick blieb auf die trostlose Gegend jenseits der Glasscheibe gerichtet. »Bis auf die Knochen: nein.«
    »Und weshalb haben Sie ihn dann den ›Knochenmann‹ getauft?«
    »Habe ich nicht. Das war die Presse.«
    »Verstehe. Hätte ich mir auch denken können.«
    Vor ihnen tauchten die ersten Häuser von Boulder City auf. Der Fahrer nahm die nächste Ausfahrt. Ohne das Tempo zu drosseln, jagten sie über die breite Durchgangsstraße. Zu beiden Seiten flogen die flackernden Lichter der Hotels, Motels und Filialen von Fastfood-Riesen an ihnen vorüber.
    »Und wie zum Teufel sind Sie dem Mistkerl auf die Schliche gekommen?«, wollte Blunt wissen.
    Robert hob die Schultern. »Zufall.«
    »Nicht so bescheiden, Kollege«, meldete sich erstmals William K. King zu Wort, Special Agent der FBI-Zentrale in Washington, der sich mit Robert den Rücksitz der Limousine teilte.
    King war zweiundfünfzig, dünn, aber nicht mager, und hatte welliges, überwiegend graues Haar. Die meisten grauen Strähnen hatte er in den letzten acht Monaten bekommen, seit er zum Leiter einer Special Unit bestimmt worden war, die sich so lange vergeblich bemüht hatte, den Knochenmann zu fassen.
    Der Killer war – seit seinem ersten Mord im Bundesstaat New York – in unregelmäßigen Abständen in Erscheinung getreten: mal in Kalifornien, mal in Arizona, dann in Colorado, in Nevada, später in Virginia, einmal sogar in Kanada. Die Orte, in denen er sein blutiges Handwerk verrichtet hatte, schienen ebenso willkürlich ausgesucht wie seine Opfer. Es hatte sich kein Zusammenhang zwischen den Frauen und Männern feststellen lassen. Abgesehen von den übel zugerichteten Leichen gab es keine Spuren, aus denen sich ein Hinweis auf seine Identität hätte ergeben können. Der Knochenmann war zweifellos ein Profi, ein beängstigendes Phantom – bis vor Kurzem.
    »Im Wesentlichen ist es Ihr Verdienst, Dr. Babicz, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind«, sagte King.
    »Zufall«, wiederholte der Angesprochene.
    King lachte. »Wohl kaum.«
    Robert schwieg. Die ganze Sache war ihm unangenehm, sogar unheimlich. Er konnte den Grund dafür nicht benennen, aber sein Unbehagen wuchs mit jeder Meile, die sie sich ihrem Ziel näherten.
    King schlug eine Akte auf, während er eine Lesebrille aus der Innentasche seines Jacketts zog. »Sein Name ist Andrew Jacobs, achtunddreißig Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Er ist Vertriebsleiter in einer kleinen, aber erfolgreichen Softwareklitsche für – aufgepasst! – Krankenhäuser, deshalb auch häufig auf Reisen. Keine Vorstrafen, keine Beschwerden, keine Makel.«
    »Also ein stinknormaler Bürger wie Millionen andere auch«, befand Blunt.
    »Ein stinknormaler Bürger mit einer ungewöhnlich grässlichen Freizeitbeschäftigung, ja.« King klappte den Ordner wieder zu und schob seine Brille zurück in die Tasche.
    Die Limousine sauste vorbei am Nevada Inn , einem billigen Motel, dessen meterhohe Leuchtreklame am Straßenrand verkündete: A Friendly Place To Stay . Der Halbkreis, zu dem sich die blinkenden Worte verbanden, wirkte auf Robert wie ein Grinsen, das die vorbeifahrenden Beamten verhöhnte.
    In einer Seitenstraße bremste der Wagen abrupt ab. Noch bevor die anderen den Türgriff auch nur berührt hatten, stand King bereits auf dem Gehsteig. Neben einem rostigen Hydranten wartete der Einsatzleiter des SWAT-Teams.
    »Hallo, Mr. King, wie lautet Ihr Befehl?«
    King legte eine schusssichere Weste an. »Holen wir ihn uns!«
    Jetzt wusste Robert auch, woher seine Angst rührte. Sein Blick fiel auf das Haus, das in der Dunkelheit lag. Kein Laut war zu hören. Totenstille.
    »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät«, flüsterte er.
     
    Noch immer schaute der Mann auf das Kind herab, über dessen Brust sich die Decke in ruhigem Rhythmus hob und senkte. Kein Alptraum störte den Schlaf des Jungen. So friedlich. Ihn überkam ein schlechtes Gewissen. Noch einmal fuhr er dem Kind über das Haar, dann machte er kehrt.
    Plötzlich knirschte ein Spielzeugflieger unter seinem Stiefel. Der Mann erstarrte. Nichts rührte sich. Abermals ärgerte er sich über seine Unachtsamkeit.
    Er schlich, nun auf mögliche Stolperfallen am Boden achtend, in den Flur und folgte ihm zur nächsten Tür. In dem Zimmer dahinter schlief
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