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0752 - Im Griff der Unsichtbaren

0752 - Im Griff der Unsichtbaren

Titel: 0752 - Im Griff der Unsichtbaren
Autoren: Dario Vandis
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Joseph McAllistair war ein Traum von einem Mann - jung, kräftig und muskulös und bei aller physischen Dominanz nie um eine Antwort verlegen. Aber all das konnte ihn nicht retten, als er eines Tages den Unsichtbaren in die Hände fiel.
    Noch vor einer Viertelstunde hatte er auf einer Parkbank nahe der Sydneyer Oper gesessen und die tanzenden Wellen im Hafenbecken beobachtet. Linker Hand erhoben sich die Tower des Business District, davor lag der Circular Quay, von dem aus die Touristen ihre Fahrten zum Hafen oder zur Olympiastadt starteten. Wie eine Königin über ihren Untertanen thronend, erstreckte sich in westlicher Richtung die Harbour Bridge, das Wahrzeichen Sydneys, durch deren Stahlrippen die untergehende Sonne ihre Strahlen auf die Muscheldächer der Oper warf.
    »Hier könnte ich meine Zelte aufschlagen«, seufzte Shelley, schloss die Augen und schmiegte sich an Josephs Brust. Er spürte ihre Haut, vernahm ihren ruhigen Atem und konnte sich nicht vorstellen, jemals eine tiefere Zufriedenheit empfunden zu haben.
    Zwei Wochen war es her, dass sie zum ersten Mal ihren Fuß auf australischen Boden gesetzt hatten: in Brisbane, einer Küstenstadt von der Größe Hamburgs, die zweitausend Kilometer nördlich von Sydney lag. Sie hatten sich einen Wagen gemietet und waren vor dem tropischen Klima gen Süden geflohen, ohne das Great Barrier Reef und den landeinwärts beginnenden Regenwald auch nur eines Blickes zu würdigen. Als Engländer waren sie Regen und Nebel gewöhnt, nicht aber eine senkrecht stehende Sonne und Schwüle, die jedem Nordeuropäer den Schweiß aus den Poren trieb.
    »Warum sollten wir?«, ging Joseph nach einem Moment des Nachdenkens auf ihren nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag ein. »Wir haben längst nicht alles gesehen.«
    Bis zum Rückflug blieben noch drei Wochen Zeit, und Joseph war entschlossen, jede Stunde davon zu nutzen. Er wollte weiter in den Süden, bis nach Melbourne und vielleicht sogar mit dem Schiff nach Tasmanien.
    Shelley kicherte. »Sydney, Australien. Sonne, Wasser, ein eigenes Boot und nie wieder arbeiten. Warum bleiben wir nicht einfach hier? Ich meine nicht nur für ein paar Wochen, sondern für immer.«
    »Weil sich ohne Arbeit schlecht Geld verdienen lässt«, brummte Joseph. »Wir haben immerhin den letzten Penny für diese Reise geopfert.«
    »Lass uns die Tickets eintauschen und für das Geld eine Wohnung mieten. Wir fliegen sowieso nicht mehr zurück.«
    Er konnte ihren Optimismus nicht teilen, insbesondere was die Mietpreise der Sydneyer Innenstadt anbelangte. »Willst du Jack seine Hütte abkaufen? Dann kauf gleich ein paar Eimer, um sie im Winter unter die Löcher in der Decke zu stellen.«
    »Du bist ein Griesgram. Hast du nicht gehört, dass es in Sydney nie regnet?« Sie stand auf und zog ihn mit sich. »Lass uns durch die Botanischen Gärten zurückgehen.«
    »Das ist ein Umweg. Jack wartet sicher schon auf uns.«
    »Lass ihn warten. Oder gibt es in London etwa Fledermäuse im Hyde Park zu sehen?«
    Shelley hatte Recht, Jack würde sie verstehen. Er hatte London selbst vor drei Jahren verlassen, um ein Auslandssemester in Sydney zu absolvieren - und war nie zurückgekehrt. Der einzige Kontakt hatte in den Briefen bestanden, die er seinem ehemaligen Kommilitonen schickte und in denen er von den phantastischen Lebensbedingungen down under berichtete. Schließlich hatte er Shelley und Joseph überzeugt, wenigstens einen Urlaub auf dem schönsten Kontinent der Welt zu verbringen. Und sie hatten es nicht bereut, ganz im Gegenteil.
    Dennoch schätzte Joseph ihre eigenen Chancen, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, als wenig realistisch ein. Er war Mediendesigner, einer jener jungen, dynamischen Leute, die vom Aufschwung der Informationstechnologie profitiert hatten - und die der darauffolgende Crash getroffen hatte wie der sprichwörtliche Holzpflock das Herz eines Vampirs. Kein Firmeninhaber auf der ganzen Welt suchte zur Zeit einen Homepage-Tüftler mit Schwerpunkt php-Programmierung, schon gar nicht in Australien, das, räumlich abgeschnitten vom Rest der Weltwirtschaft, mit einer höheren Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte als die meisten europäischen Länder.
    »Was ist mit den giftigen Tieren?«, fragte er schwach, während sie Hand in Hand durch die Royal Botanic Gardens schlenderten. Die Sonne berührte soeben den Horizont und tauchte die Bucht in rötliches Dämmerlicht. »Im Great Barrier Reef leben die giftigsten Quallen der Erde. Mindestens
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