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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut
Autoren: Marcel Feige
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Sonne ihr Gesicht mit ein bisschen Wärme und Zärtlichkeit streicheln konnte.
    Hinter sich hörte sie ein Geräusch. Wahrscheinlich war ihr der Beamte besorgt gefolgt. Sie drehte sich um. Beschwichtigend sagte sie: »Ich möchte nur …«
    Eine Hand drückte ihr ein Stück Stoff über Mund und Nase. Sie roch den süßen Duft, und gleich darauf wurde ihr schwarz vor Augen.

116
    »Pass auf!«, rief Sera.
    Gesing trat die Bremse durch. Zu spät! Schon schoss der Passat in den Kreisverkehr am Straußberger Platz und geriet ins Schlingern. Seras Kollege umklammerte das Lenkrad so fest, dass sich die Haut über seinen Knöcheln spannte. Mühsam wich er zwei tuckernden Trabis aus, bevor er nach rechts auf die Karl-Marx-Allee abbog. Kurz darauf flog das altehrwürdige Kino International an ihnen vorbei.
    Sera hielt sich am Haltegriff des Beifahrersitzes fest und beschloss, erst wieder davon abzulassen, wenn sie Prenzlauer Berg erreicht hatten.
    »Was ist?«, schnauzte ihr Kollege. »Wollen wir jetzt gleich wieder eine Diskussion über meine Fahrweise führen?«
    »Dein Fahrstil ist ganz bezaubernd, das weißt du doch.«
    Er jagte die Prenzlauer Allee hinauf. Immer wieder musste er abbremsen, der Verkehr staute sich vor jeder Ampel. Endlich erreichten sie die Danziger Straße, fädelten sich durch das Nadelöhr an der Schönhauser Allee. Bald darauf tauchte die Max-Schmeling-Halle vor ihnen auf. Familien, Künstler und Gaukler tummelten sich im Mauerpark gegenüber. Neugierige Blicke richteten sich auf das Polizeifahrzeug, das mit heulendem Martinshorn heranpreschte und in der Cantianstraße zum Stehen kam.
    Das Gebäude mit der Hausnummer 4 war erst jüngst saniert worden. Wie ein Skelett ragte das Baugerüst noch vor der Fassade des Altbaus aus dem neunzehnten Jahrhundert auf. Basilisken zierten die Balkone, auf denen in Blumenkästen Freesien blühten. Die Fenster waren hoch und mit verschnörkelten Rahmen versehen: die passende Umgebung für Familien und Künstler. Oder für Rentnerinnen wie die alte Dame, die sich aus einem Fenster im Erdgeschoss lehnte und ihre Arme auf einem Kissen abstützte.
    Gesing erreichte den Eingang vor Sera. Er nahm die drei Stufen zur Haustür in einem Schritt und überflog die Klingelschilder. »Sind wir richtig?«
    »Cantianstraße 4. Das hat er gesagt.«
    »Aber hier wohnt kein Babicz.«
    »Sicher?«
    »Sieh selbst!«
    Seras Kollege hatte recht. Aber warum sollte der Psychologe ihnen eine falsche Adresse genannt haben? Er brauchte seinen Bruder. Er brauchte dessen Alibi. Sera schritt die Stufen wieder hinab und ging zur Rentnerin, die mit Argusaugen die Nachbarschaft überwachte.
    Sera streckte ihr den Dienstausweis entgegen. »Wir sind auf der Suche nach einem Max Babicz.«
    »Nach wem?«
    »Max Babicz ist der Name. Wohnt der hier im Haus?«
    »Nee, nicht dass ich wüsste.«
    »Hat er hier mal gewohnt?« Sera klopfte gegen die Gerüststange.
    Die Frau rückte ihre Arme auf dem Kissen zurecht. »Wenn der hier in den letzten Jahren gewohnt hätte, wüsste ich das.«
    Was Sera ihr aufs Wort glaubte.
    Gesing folgte ihr zurück zum Wagen. »Sehe ich das richtig? Dr. Babicz hat uns angelogen? Sein Bruder hat hier niemals gelebt?«
    Sera blinzelte in die Sonne. »Ich glaube, ich weiß, wo wir seinen Bruder finden.«

117
    Irgendwann blieb Robert stehen. Keuchend rang er um Atem. Seine Lunge drohte jeden Augenblick zu explodieren. Er beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie, drehte seinen Kopf nach links und rechts, nahm zum ersten Mal seine Umgebung wieder bewusst wahr. Dichte Bäume säumten einen Weg. Das ferne Rauschen einer S-Bahn drang durch das Dickicht. Er hatte den Stadtkern hinter sich gelassen.
    Was zum Teufel hast du getan?
    Er war aus der Wohnung des LKA abgehauen, blindlings losgestürmt, bloß weg … Wohin? Verzweifelt rieb er sich die Augen, als sei er aus einem schlimmen Albtraum erwacht. In seine Wohnung in der Weichselstraße konnte er fürs Erste nicht zurück. Vermutlich würde die Polizei dort zuerst nach ihm suchen. Wohin dann?
    Er benötigte einen Plan. Aber sollte er dafür nicht wissen, worum es eigentlich ging? Das Perfide dieses Täters ist ja, dass er uns über seinen Plan, seine Absichten, seine Motive bisher im Dunkeln lässt. Robert brauchte Ruhe, einen klaren Kopf. Und du brauchst Hilfe!
    Sofort dachte er an Max. Doch bei seinem Bruder durfte er sich ebenfalls nicht blicken lassen. Die Polizei war bestimmt schon bei ihm. Robert selbst hatte ihnen ja
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