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Kalt wie ein Brilliant

Kalt wie ein Brilliant

Titel: Kalt wie ein Brilliant
Autoren: Carter Brown
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1
     
    »Mach dir ein paar schöne
Stunden mit Blondinen und Brünetten«, pflegte mein Vater zu sagen, »aber
Rothaarige sind zu dürr, von denen laß die Finger!« Schon nach dem ersten
flüchtigen Blick auf das kupferhaarige Wesen in dem raffiniert schlicht
geschnittenen, eng anliegenden schwarzen Seidenkleid, das jede Linie ihres
hinreißenden Körpers nachzeichnete, wurde mir klar, wie grundfalsch
Verallgemeinerungen sein können. Wenn dieser Rotschopf zu dürr war, wollte ich
Meier heißen.
    »Mein Name ist Boyd«, teilte
ich der rothaarigen Fee mit anerkennendem Lächeln mit. »Danny Boyd, New York.
Auskünfte und Nachforschungen aller Art.«
    Mit einer gewohnheitsmäßigen
Bewegung wandte ich den Kopf einmal nach rechts und einmal nach links, damit
sie mein markantes Profil von beiden Seiten bewundern konnte. Nicht jedem
weiblichen Wesen, das mir über den Weg läuft, gönne ich diesen Genuß. Meist
macht schon der einseitige Anblick meiner männlich-harten Züge hübsche Blondinen
schwach.
    Seltsamerweise blieb die
beabsichtigte Wirkung bei meinem Rotschopf völlig aus. Die braunen Augen gaben
meinen Blick ganz gelassen und leicht verwundert zurück. Das Mädchen mußte
kurzsichtig sein. Vermutlich war sie zu eitel, um eine Brille zu tragen.
    »Ich will zu Ihren Gunsten
annehmen, daß Ihr verglaster Blick als Kompliment gedacht ist«, sagte sie
schließlich mit gefährlich ruhiger Stimme, »aber wenn Sie auch nur einen
Schritt näher an meinen Schreibtisch herankommen, Mr. Boyd, schreie ich das
ganze Haus zusammen.«
    »Sie brauchten nur einmal Ihre
Brille aufzusetzen«, bemerkte ich kühn, »um zu erkennen, daß sich der
verschwommene Schatten vor Ihnen als ein männliches Prachtexemplar...«
    »Meine Augen sind durchaus in
Ordnung«, unterbrach sie mich ungnädig. »Sind Sie nicht diese Witzfigur, die in
der Fernseh-Kinderstunde als Bösewicht auftritt?«
    »Ein guter Psychiater würde
schnell feststellen können, warum Sie eine Abneigung gegen gutaussehende Männer
haben. Vielleicht ist ein Kindheitskomplex schuld daran. Wenn Sie sich als
dürrer Teenager mit brandroten Rattenschwänzen irgendwo sehen ließen, haben
wahrscheinlich alle Jungen schreiend die Flucht ergriffen. Aber unter uns
gesagt, Baby: die Zeiten sind vorbei. Ihre Figur hat sich sehr zu Ihrem Vorteil
verändert...«
    Sie senkte schnell den Kopf, um
mich das Lachen nicht sehen zu lassen, das um ihren Mund zuckte. Dabei hatte
ich Gelegenheit, ihre kunstvoll aufgetürmte tizianrote Haarfrisur zu bewundern.
    »Sie wollten Mr. Elmo sprechen,
nicht wahr?« fragte sie, noch immer mit einem unterdrückten Lachen in der
Stimme. »Er erwartet Sie schon, Mr. Boyd. Gehen Sie bitte gleich zu seinem Büro
durch. Es ist die zweite Tür rechts.«
    »Herzlichen Dank!« Ich bin ein
höflicher Mann, der weiß, was sich gehört. »Da ich wahrscheinlich einige Zeit
hier zu tun habe, möchte ich Sie auf die weltweite und kostenlose
Boyd-Nachbarschaftshilfe aufmerksam machen. Wir sollten gemeinsam Ihrem
Minderwertigkeitskomplex zu Leibe gehen, Schatz. Was halten Sie davon, wenn wir heute abend damit anfangen? Sagen wir gegen acht
Uhr?«
    »Einen ungemütlichen Abend kann
ich auch ohne Ihre freundliche Mitwirkung verleben, Mr. Boyd«, antwortete sie
mit dem liebenswürdigsten Gesicht der Welt.
    Eine passende Antwort auf
diesen Hieb aus dem Ärmel zu schütteln, erwies sich als schwierig. Ich machte
mich also schleunigst auf die Suche nach der zweiten Tür rechts und tat, als
hörte ich das spöttische Lachen nicht, das hinter mir aufklang.
    Der kleine Mr. Elmo saß an
einem sehr großen Schreibtisch. Er steckte in einem würdigen schwarzen Anzug
und trug eine goldgeränderte Brille, deren Gläser mir neugierig
entgegenfunkelten.
    »Meine Name ist Boyd«, sagte
ich und wartete zunächst einmal ab.
    »Ach ja«, bemerkte er, ohne
besondere Begeisterung an den Tag zu legen. »Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Boyd.
Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise von der Ostküste?« Es klang, als sei ich
von Sibirien gekommen.
    »Danke, ja!« Ich ließ mich
vorsichtig auf einem Möbel nieder, das, der Unbequemlichkeit nach zu schließen,
aus Amerikas Pionierzeit stammen mußte. »Ich hätte nicht gedacht, daß ich schon
so bald wieder nach Santo Bahia kommen würde. Ich war erst vor einem halben
Jahr hier.«
    »Wirklich?«
    »Wie sind Sie eigentlich auf
mich verfallen?« fragte ich neugierig. »Mein Büro ist in New York. Die
Westküste gehört im allgemeinen nicht zu meinem
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