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Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Titel: Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
Autoren: Volker Martin
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hoffen, dass die Burg wirklich nicht bewohnt ist, oder die Bewohner uns zumindest wohlgesonnen sind, damit wir am Ende nicht zwischen Hammer und Amboss zermalmt werden.
    »Dann weiter?« Sie sah ihn auffordernd an.
    »Ja«, nickte er zustimmend. »Gehen wir weiter.«
    Ohne ein weiteres Wort packten sie ihre Sachen zusammen und machten sich wieder auf den Weg, die letzte Biegung zu umrunden.
    Zwei Dutzend Schritte später standen sie einem Anblick gegenüber, so unheimlich und trostlos, dass ihnen beiden der Atem stockte: Vor ihnen erhoben sich die dunklen toten Mauern einer alten, verwitterten Burg. Der Wind heulte durch die gut zwei Dutzend Schießscharten in der dicken zerklüfteten Mauer wie durch leere Augenhöhlen und das halboffen stehende Haupttor gähnte ihnen, wie der Rachen eines längst verstorbenen, vieläugigen Riesen entgegen.
    Kali Darad hielt den Atem an, als sie auf das Tor zutrat, um die Warnung, die jemand offenbar vor langer Zeit dort hinterlassen hatte, näher zu betrachten.
    »Das waren keine Menschen«, stellte Taros Goll fest, als er an ihre Seite trat und ebenfalls den Schädel mit den großen runden Augenhöhlen und den langen Fangzähnen betrachtete, der da vor ihnen auf einem alten, ausgeblichenen Spieß steckte.
    Die Harpyie antwortete nicht, während ihre Fingerspitzen über die vergilbte Schädeldecke, die hohen Wangenknochen und den rechten Fangzahn strichen. Ja, der Mann hatte recht. Das war kein Menschenschädel. Dieser nicht, und die anderen auch nicht. Die Schädel, die auf einer Allee aus fünf hintereinander aufgestellten Spießen den Weg zum Burgtor säumten, stammten allesamt von ihrem Volk.
    Er schauderte bei dem Anblick und der Gedanke, was dann erst hinter diesen verwaisten Mauern auf sie warten mochte, bereitete ihm Unbehagen. Und wenn es ihm schon so ging, wie mochte es dann erst ihr ergehen?
    »Kali«, sagte er mit gedämpfter Stimme und streckte die Hand nach ihr aus.
    Doch sie hatte ihn überhaupt nicht gehört, geschweige denn seine Geste wahrgenommen. Stattdessen ging sie, ohne sich auch nur umzudrehen, auf das Tor zu.
    »Kali«, zischte er ihr nach, »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
    Doch da stand sie schon unter dem Torbogen; ein kalter Wind blies ihr von der anderen Seite her entgegen, fegte durch ihre Haut und ihr Fleisch, ihre Gedanken, ihren Geist, bis tief in ihre Seele und ließ diese zu Eis erstarren. Ihr Gesicht hatte jeden Ausdruck verloren, als ihr Blick über das wüste, trostlose Bild schweifte, welches der Burghof ihren Augen bot: Diese Burg war schon lange kein Zuhause mehr. Sie war ein Massengrab, eine morbide Galerie der Grausamkeiten, die Schwert und Feuer mit sich brachten.
    Überall lagen Skelette von menschenähnlichen Wesen mit Vogelbeinen und Flügeln verstreut auf dem Boden. Manche wirkten, als hätten sie sich nur zum Schlafen hingelegt, während andere entsetzlich verdreht waren, als würden sie sich noch immer in den Qualen ihres gewaltsamen Todes winden.
    In atemloses Schweigen gehüllt wanderte Kali Darad wie ein Geist über den Hof und schaute ziellos hierhin und dorthin, während ihr Verstand verzweifelt zu erfassen versuchte, was hier vorgefallen war – und warum ihr das alles hier so vertraut vorkam.
    Sie sah Leichen aus dunklen, verrußten Fenstern hängen, Gebeine lagen in dunklen Eingängen, deren eingeschlagene Türen nur noch in kläglichen Überresten in ihren rostigen Angeln hingen. Felsbrocken, zersplitterte Tonschindeln, und Stücke von Mauerwerk – zum Teil vom Feuer geschwärzt – lagen zwischen den Knochen auf dem Hof verstreut, während in den Dächern große, ausgefranste Löcher gähnten, als wären riesige Fäuste auf sie herabgefahren.
    Und über all dem ausgebreitet lag ein dickes graues Leichentuch aus Staub.
    Taros Goll folgte ihr in gebührendem Abstand. Kein Wort kam über seine Lippen, so sehr war er erschüttert. Hier hatte ein Massaker stattgefunden. Gliedmaßen waren von schweren Waffen zerschmettert, oder gar abgerissen worden. Schädel waren nicht mehr als ein Scherbenhaufen und aus vielen Brustkörben ragten Pfeile und Armbrustbolzen.
    Menschen , überkam ihn die bittere Erkenntnis. Das waren Menschen. Ihr Götter, was ist hier nur geschehen? So, wie es hier aussieht, ist hier eine ganze Armee einmarschiert und hat sich mal so richtig ausgetobt. Haben sie hier wirklich ein ganzes Harpyienvolk ausgelöscht? Und konnte es sein, dass dieses Harpyienvolk tatsächlich Kalis Volk gewesen war?
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