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Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Titel: Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
Autoren: Volker Martin
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leid, grübelte der Barde vor sich hin. Jetzt sind wir dort, wo sie immer hin wollte, und was finden wir vor? Nichts als Tod und Zerstörung. Sind wir dafür all die Sonnen gereist? Haben wir dafür all die Strapazen auf uns genommen? Für einen Haufen Staub und Knochen? Am liebsten hätte er jetzt etwas über den Hof getreten, doch das einzig tretbare hätte entweder ihm den Zeh oder ihr das Herz gebrochen. Und so beließ er es dabei, einfach mit dem Fuß etwas Staub an der kleinen freien Stelle zu verwischen, an der er stand. Aber wenigstens scheint sie sich wieder an etwas zu erinnern. Mögen die Götter behüten, dass es etwas Schlimmes ist, oder gar etwas, das mit all dem hier zu tun hat. Mit zusammengepressten Lippen sah er ihr nach, wie sie in dem vom Feuer gezeichneten Gang verschwand.
    Kali Darad bewegte sich einen langen, fast pechschwarzen Korridor entlang; der Gestank nach kalter Asche raubte ihr fast den Atem. Links und rechts zweigten Türen ab, von denen die meisten verschlossen und mit den verkohlten Gerippen von Stühlen oder mit nur noch bei genauem Hinsehen als solche erkennbaren Dolchen verbarrikadiert waren – von außen!
    Schweigend hielt sie auf eine der wenigen offenen Türen zu. Licht drang aus dem Raum dahinter in den Gang und fiel auf den völlig verkohlten Leichnam einer Harpyie, der zusammengekrümmt auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors lag.
    Sie schien etwas umklammert zu halten. Langsam und mit angehaltenem Atem ging Kali Darad vor dem Leichnam in die Hocke, um nachzusehen, was die Leiche da an sich gedrückt hielt.
    Ihre Lippen waren nur noch eine feine Linie, als sie den umklammerten Gegenstand als verbrannten Körper eines Harpyienkindes erkannte, das Gesicht Schutz suchend gegen die Brust der Mutter gedrückt.
    Kali Darads Körper bebte vor Anspannung, während sie langsam den Kopf wandte, um in den Raum neben sich zu sehen.
    Dort hatte es ebenfalls gebrannt. Alles war kohlrabenschwarz. Das Bett, als zentraler Punkt des Zimmers, war nur noch eine Ruine, umgeben von zertrümmerten Möbeln, Zeichen einer verzweifelten, panischen Raserei. Auf der anderen Seite des Zimmers gähnten, wie ein grausamer Scherz, drei nach oben hin spitz zulaufende Fenster, die Freiheit und Rettung versprachen, jedoch zu klein zum Hindurchzwängen waren.
    Nistplätze! , überkam sie plötzlich die Erkenntnis. Hierher hatten sich die Erwachsenen weiblichen Harpyien immer zurückgezogen, um Eier zu legen und ihre Kinder auszubrüten. Einst ein ruhiger, besinnlicher Ort, jetzt Schauplatz einer unaussprechlichen Tragödie.
    Eigentlich wollte sie nichts lieber, als den Ort des Geschehens schnellstmöglich wieder zu verlassen, doch ein innerer Drang, vielleicht war es masochistische Neugier, oder einfach nur der Wunsch, bittere Gewissheit zu haben, zwang sie dazu, eine der verbarrikadierten Türen zu öffnen.
    Apathisch zog sie einen Stuhl unter einem Türring hervor und stellte ihn beiseite. Dann schloss sich ihre graue Hand um den geschwärzten Eisenring und zog. Zuerst musste sie etwas Kraft aufwenden, um die verzogene schwere Holztür aus ihrem steinernen Rahmen lösen zu können, doch dann ließ sie sich doch noch mit einem unheimlichen Quietschen und einem vernehmlichen Scharren auf dem mit Ruß und Staub bedecken Steinboden öffnen.
    Ein Miasma aus kalter Asche, verbranntem Holz und verkohltem Fleisch schlug ihr entgegen und brachte sie zum Würgen. Doch noch schlimmer als der Gestank, war der Anblick, der sich hinter der Tür verbarg.
    Ein entsetztes Wimmern drang aus ihrer Kehle, als ihr Blick in das Innere des Zimmers fiel. Auf der anderen Seite des pechschwarzen, mit einer Patina aus Ruß, Asche und verdampften Körperflüssigkeiten überzogenen Raumes, lag unter dem Fenster eine zusammengekrümmte Kreatur, die nur noch ansatzweise als menschenähnlich zu erkennen war. Tiefe Kratzspuren bildeten einen erschütternden Rahmen um die viel zu kleinen Fenster in der Wand, die wie zum Hohn den weiten bedeckten Himmel zeigten.
    Doch etwas fehlte in diesem grauenhaften Bild eines unbeschreiblich qualvollen Todes. Etwas, dass jeder Mutter ein Messer ins Herz trieb.
    Wie betäubt ließ Kali Darad den Blick durch den Raum schweifen, auf der Suche nach der Leiche des Kindes. Nichts zu sehen.
    Eine eisige Kälte breitete sich in ihrem Magen aus, als sie wie in Trance einer schrecklichen Ahnung folgend zum Fenster ging und in den Abgrund blickte. Der Berg fiel hier gute hundert Schritt fast senkrecht ab,
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