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Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Titel: Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
Autoren: Volker Martin
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bevor er auf den Pfad zur Burg traf. Und dort unten, im Geröll neben dem Pfad, konnte sie die verstreuten Knochen eines kleinen Harpyienkindes erkennen.
    Eine Träne löste sich von ihren Wimpern und fiel glitzernd wie ein Edelstein in die Tiefe. Nein, das junge Ding hatte kein Abenteuer gesucht, hatte nicht verbotener Weise versucht, alleine zu fliegen. Seine Mutter hatte ihr Kind in einem Akt purer Verzweiflung aus dem Fenster geworfen, in der Hoffnung, dass wenigstens es das Inferno überlebte. Hatte sie gesehen, wie es in den Tod gestürzt war? Oder war sie mit dem seligen Gedanken gestorben, wenigstens ihr Kind gerettet zu haben? Kali Darad wünschte ihr von ganzem Herzen letzteres.
    Langsam zog sie den Kopf wieder zurück; in ihrer Kehle steckte ein Kloß. Sie musste hier raus. Raus aus dem Zimmer, raus aus dem gesamten Flügel. Was hier geschehen war, war so grausam und entsetzlich, dass sie den Anblick einfach nicht mehr ertragen konnte.
    Menschen , flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, als sie mit Tränen in den Augen das Zimmer wieder verließ und ihr Blick auf die Leiche im Gang fiel. Das waren Menschen. Ihre Zähne knirschten vor Bitterkeit und ohnmächtiger Wut.
    Als sie endlich wieder aus dem albtraumhaften, schrecklich nach Asche und Tod stinkenden Flügel auf den Hof hinaustrat und die kühle frische Luft in ihre Lungen sog, sah sie auch  wieder ihren Gefährten. Einen Menschen. Er stand droben auf dem Wehrgang über dem verrammelten Tor und linste durch eine Schießscharte, hinaus auf den Pfad. Als er ihre Schritte und ihr erleichtertes, jedoch auch betrübtes Aufatmen vernahm, wandte er sich zu ihr um und sah sie besorgt an. Er sagte kein Wort; das übernahmen seine Augen für ihn. Und im Grunde war das auch alles, was er gerade für sie tun konnte: Ihr zeigen, dass er sich um sie sorgte und für sie da war – und das nicht alle Menschen derart grausame, perverse Monster waren! Wäre sie nicht dergestalt bis in die Grundfesten ihrer Seele erschüttert gewesen, hätte sie über diesen Irrsinn vielleicht sogar gelacht. Sie und Ihresgleichen nannte man Monster, Ungeheuer, oder Bestien. Dabei töteten sie lediglich aus Hunger – und dann taten sie es schnell und schmerzlos. Wohingegen die Menschen – die ach so guten, rechtschaffenen und zivilisierten Menschen – mit einer unbeschreiblichen, immer grässlichere Gesichter entwickelnden Brutalität auf alles losgingen, was ihnen in die Quere kam – selbst wenn es sich dabei um ihr eigenes Volk handelte. Und sie nannte man Monster…
    Ohne ein Wort wandte sie sich dem dritten und letzten Tor zu, das in den Pallas führte, hinter dem sich der hohe marode Turm erhob. Sie hielt für einen Augenblick inne und schaute empor zur Spitze des Turmes. Irgendetwas hatte die Turmspitze zur Hälfte zertrümmert, als habe ein Riese ein großes Stück davon abgebissen.
    Ein Dutzend Herzschläge stand sie einfach nur so da und betrachtete den verstümmelten Turm, den sie aus ihrem Traum kannte. Nur war er da noch ganz gewesen.
    Dann setzte sie ihren Weg durch das ehemals zweiflügelige Tor in den Pallas fort.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie vorsichtig, einen Fuß vor den anderen setzend, den Korridor entlang ging. Der mit verstaubten Gebeinen übersäte Korridor wurde alle fünf Schritte von ehernen Feuerschalen gesäumt, von denen manche umgestoßen auf dem Boden lagen und die Kohlen sich unter die Knochen gemischt hatten.
    Doch das entsetzlichste waren die Wände. Wenn an den Wänden einst Wandbehänge mit prunkvollen Wappen oder liebevoll detaillierten Geschichten aus der Familienchronik des Burgherrn gehangen hatten, so hatte man diese herunter gerissen und an ihrer statt, wie abscheuliche, morbide Wanddekorationen, die Bewohner der Burg an die Wand geschlagen. Lange Eisennägel waren ihnen sowohl durch Elle und Speiche, als auch durch die Fußknöcheln in die Fugen zwischen den Mauersteinen getrieben worden und hielten sie so für alle Zeiten in der Haltung eines gekreuzigten. Während Kali Darad mit abgehaltenem Atem diesen grauenhaften Korridor entlang schritt, betete sie ohne Unterlass zum Sonnenkönig, dass die Harpyien, die dort hingen, zum Zeitpunkt, als die Nägel ihre Arme und Füße durchschlagen hatten, bereits tot gewesen waren. Aber nachdem, was sie bisher hier hatte sehen müssen, hatte sie wenig Hoffnung.
    Ungefähr auf halber Höhe zweigten zwei Gänge nach links und nach rechts vom Hauptkorridor ab und verschwanden in der
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