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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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Baumstämme aus der Tiefe des Walds, die von großen, vor sich hin stapfenden Ochsen gezogen wurden.
    Die große Rundsäge kreischte jedes Mal, wenn sie einen Baum verschlang, und dann war da noch das Geräusch der Gattersäge, die dem Holz die richtige Form gab. In der Luft hing schwer der süßliche Geruch von frisch geschlagenen Osttexas-Pinien. Aus einer langen Rutsche, die mit den Sägewerksgebäuden verbunden war, kamen stoßweise zerschredderte Holzreste herabgesegelt und sammelten sich auf einem Hügel aus Sägemehl, den Zeit und Wetter hatten schwarz werden lassen.
    Überall lagen abgebrochene Äste und vom Sturm entwurzelte Bäume. Ein Wagen voller Holzstämme war umgekippt, und einige Männer richteten ihn gerade wieder auf. Nicht weit davon entfernt lag ein toter Ochse, der zum Teil unter herabgefallenen Stämmen begraben war.
    »Ob die überhaupt aufgehört haben zu arbeiten, als der Wirbelsturm durchgerast ist?«, fragte Sunset.
    »Wenn, dann nicht lange«, entgegnete Uncle Riley. »Nicht hier in Camp Rupture. Teufel, irgendwer wird den Ochsen da häuten und ausnehmen und heut Abend noch essen. Wär ein Mann umgefallen, täten sie ihn vielleicht auch häuten und essen.«
    »Es heißt Camp Rapture, Uncle Riley, Rapture wie Entzücken, nicht Rupture wie Bruch.«
    »Aber nur, wenn man noch nicht lange hier arbeitet. Und ich war lang genug hier, dass ich weiß, das brauch ich nicht mehr. Ich kann’s beweisen, weil ich hab ein Bruchband.«
    »Hätte ich Pete doch bloß ins Bein geschossen.«
    »Wenn ich’s mir so überleg, Miss Sunset – allmählich glaub ich auch, das wär besser gewesen.«

KAPITEL 2
     
     
    Als Sunset und Uncle Riley ins Camp hineinfuhren, starrten die Arbeiter sie an und stellten sofort fest, dass Sunset nur ein Hemd trug. Sie ließen alles stehen und liegen und bewegten sich den Hügel hinunter auf den Wagen zu wie Fliegen, die von Zuckersirup angezogen werden.
    »Was machst du da mit der weißen Frau? Hast du die so verprügelt?«, fragte einer der Männer Uncle Riley.
    »Ich hab ihr nur geholfen«, sagte Uncle Riley. Und dann, zu Sunset: »Sehn Sie, die stechen mich ab oder knüpfen mich auf.«
    »Bring mich zu meiner Schwiegermutter.«
    Uncle Riley sah sich nach den Männern um, die dem Wagen folgten. »Himmel«, seufzte er. »Die sehn ganz schön bösartig aus. Das sind so Leute, wo nur glücklich sind, wenn ein Nigger tot ist.«
    »Ich habe immer noch die Waffe. Vielleicht erwische ich ja fünf.«
    »Das sind aber mehr als fünf.«
    Einige der Häuser hatten Veranden, die zum Schutz vor Moskitos mit Fliegengittern abgeschirmt waren und auf die die Bewohner ihre Betten gestellt hatten, weil es dort nachts kühler war. Die Häuser waren in einem kalten Grün gestrichen und standen auf Blöcken oder Pfählen, zwischen denen Hühner und Gänse herumpickten. Um die einzelnen Grundstücke herum waren Drahtzäune gezogen. Die meisten Fenster waren schwarz vom Ruß des Kraftwerks, und die Höfe, in denen nicht ein Grashalm wuchs, waren gelb vom Sägemehl aus dem Sägewerk.
    Das Haus von Sunsets Schwiegermutter machte deutlich mehr her als die anderen. Es hatte hölzerne Schindeln, Strom, war frisch gestrichen, stand auf behandelten Pfählen, und vor allem rannten unter dem Haus keine Hühner rum. Sie wurden hinten in einem großen Gehege mit Hühnerstall gehalten. Ihr Futter bekamen sie aus Trögen, und das Wasser, das täglich erneuert wurde, aus einer großen Wanne. Neben dem Hühnerstall befanden sich ein eingezäuntes Gelände und ein Schuppen, in dem ein Schwein und einige Ferkel hausten. Die Fenster waren erst kürzlich geputzt und das Sägemehl mit einer Harke vom Hof entfernt worden. Der Boden sah aus, als hätte eine Riesenhenne nach Würmern gescharrt.
    Die geräumige Schlafveranda hatte keine Fliegengitter, sondern Fenster, die man herunterkurbeln konnte. Dahinter standen in großen Lehmkrügen die Topfpflanzen, die Sunsets Schwiegermutter so sehr liebte.
    Im Hof parkte ein schwarzer Firmenlastwagen mit schlammverschmierten Rädern und verwitterten hölzernen Leisten rund um die Ladefläche. Alles war mit einer dünnen Schicht Sägemehl überzogen. Auf einer Seite hatte jemand etwas mit dem Finger in das Sägemehl geschrieben: ICH BIN SCHMUTZIG WIE DIE SÜNDE.
    Uncle Riley lenkte den Wagen zwischen der Wasserpumpe und dem Haus hindurch und brachte ihn vor der Verandatreppe zum Stehen. Dann zog er die Bremse an, behielt die Zügel aber locker in der Hand.
    »Du wirst
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