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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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Waffe. Er hat mich geprügelt und mich zu Boden gestoßen. Dann hat er versucht, mich zu vergewaltigen. Das hat er früher auch schon gemacht. Ich konnte es nicht mehr ertragen.«
    Mrs. Jones war eine große, gutaussehende Frau mit hochgesteckten, von grauen Strähnen durchzogenen Haaren. Als sie begriff, was Sunset da sagte, stieß sie einen schrillen, herzzerreißenden Schrei aus, der Sunset bis ins Mark erschütterte. Sie spannte ihren rechten Fuß so sehr an, dass der Schuh herunterfiel.
    »Du hast ihn erschossen?«, fragte Jones. »Du hast meinen Sohn erschossen?«
    »Ich habe ihn in den Kopf geschossen.«
    »Mein Gott.«
    »Mir blieb nichts anderes übrig. Er hat mich vergewaltigt.«
    »Ein Mann kann seine Frau nicht vergewaltigen«, widersprach Jones.
    »Genau so hat es sich aber angefühlt.«
    Jones holte aus, und noch während er das tat, hob Sunset die Waffe. »Ich lasse mich nie wieder von einem Mann schlagen, wenn ich was dagegen tun kann.«
    »Du hast rumgehurt, das ist es. Du und dieser Nigger. Rumgehurt habt ihr.«
    »Uncle Riley hat nicht das Geringste damit zu tun. Glaubst du, wir wären ausgerechnet hierher gekommen, wenn wir rumgehurt hätten? Ich wusste nicht, wo ich sonst hin sollte. Ich bin wegen Karen hier.«
    »Aber warum hast du das getan?«, fragte Jones.
    »Pete kam betrunken nach Hause. Wahrscheinlich hat ihn eine seiner Freundinnen – vermutlich diese Hure Jimmie Jo French – nicht rangelassen. Also wollte er es von mir. Auch wenn ich nur zweite Wahl war, vielleicht auch nur dritte. Und er wollte es auf die harte Tour. Er hat mich geschlagen, mir die Kleidung vom Leib gerissen, und dann kam der Wirbelsturm und hat das Haus weggeblasen. Einfach davongeweht, als wäre es aus Zeitungspapier. Ich habe seine Waffe zu fassen bekommen und ihn erschossen. Und dann bin ich ohne irgendwas am Leib losgelaufen. Ich hatte nur noch die Schuhe und eine Gardine, die ich gefunden habe. Uncle Riley hat mir sein Hemd gegeben.«
    »Er war doch dein Mann!«
    »Manchmal.«
    Mrs. Jones rannte unterdessen kreischend im Haus herum wie ein Huhn, das vom Fuchs gejagt wird. Sobald sie bei einer Wand ankam, schlug sie mit den Handflächen dagegen, drehte sich um, rannte zur gegenüberliegenden Wand und hämmerte gegen diese.
    »Ich wollte ihn nicht umbringen, wirklich nicht. Aber ich hatte Angst, er würde mich umbringen.«
    »Meine eigene Schwiegertochter? Was haben wir dir bloß getan?«
    »Es geht darum, was dein Sohn mir getan hat«, entgegnete Sunset und dachte bei sich: Ich weiß noch gut, wie oft du mir den Hintern getätschelt hast, wenn gerade niemand hersah.
    »Er war doch der Constable«, sagte Jones.
    »Aber jetzt ist er es nicht mehr. Jetzt ist nichts mehr, wie es war.«
    Jones zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Es war, als hätte man einen großen Sack voller Kartoffeln auf den Stuhl gewuchtet, der nun über die Seiten hinunterhing.
    Mrs. Jones war schließlich auf dem Boden zusammengebrochen und raufte sich die Haare. »Pete, Pete, Pete«, schrie sie, als könnte er ihr antworten.
    »Verdammt, Sunset«, sagte Jones. »Ein Mann hat nun mal Bedürfnisse.«
    »Wo ist Karen?«, fragte Sunset.
    Mrs. Jones heulte, und Mr. Jones saß auf seinem Stuhl. Keiner von beiden antwortete. Sunset stand auf, zog ihren Schuh an und setzte sich wieder.
    Nach einiger Zeit fragte Mr. Jones: »Bist du sicher, dass er tot ist?«
    »Er ist ganz sicher tot.«
    »Vielleicht lebt er noch.«
    »Nur, wenn er wiederauferstanden ist.«
    Mrs. Jones stieß einen weiteren Schrei aus, der das Glas in den Fenstern erzittern ließ. Sie wälzte sich auf dem Boden hin und her.
    »Wo ist er?«, fragte Mr. Jones.
    »In den Überresten unseres Hauses, mit heruntergezogener Hose und dem Hintern in der Luft.«
    Jones blieb einfach sitzen und versuchte, den Kloß in seiner Kehle hinunterzuschlucken. Als ihm das schließlich gelungen war, sagte er: »Dann muss ich wohl rüberfahren und ihn holen. Und du, Missy, du wirst dafür büßen. Das Gesetz wird schon dafür sorgen.«
    »Er war doch selbst das Gesetz. Und ich musste jeden Tag büßen, dabei hatte ich nicht mal was verbrochen.«
    Jones stand auf und ging zur Tür hinaus. Sunset blieb mit der Waffe im Schoß sitzen. Sie betrachtete Mrs. Jones, die versuchte, sich vom Boden aufzurappeln. Allmählich gelang es ihrer Schwiegermutter, auf die Beine zu kommen. Sie ging auf Sunset zu. Sunset wusste, was ihr blühte, rührte sich aber – anders als bei Mr. Jones – nicht. Ihr war klar,
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