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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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hab ich nicht mehr gesehn, seit Mr. Pete Drei-Finger-Jack grün und blau geschlagen hat. Wissen Sie noch?«
    »Oh ja.«
    »Mann, er hat den armen Kerl verdroschen, als wie wenn er was gestohlen hätte.«
    »Hatte er ja auch. Die Geliebte meines Mannes.«
    »Das hätt ich jetzt wohl besser nicht sagen sollen.«
    »Er selbst hat mir beigebracht, wie man schießt, Uncle Riley, kannst du dir das vorstellen? Mit dem Revolver, dem Gewehr und mit der Schrotflinte. So lange, bis er den Eindruck hatte, ich sei zu gut. Nachdem wir verheiratet waren, wollte er nicht, dass ich irgendwas machte ... Ich kann nicht glauben, dass ich ihn erschossen habe. Ich hätte mich doch einfach schlagen lassen können, dann hätte er gekriegt, was er wollte, und schon wäre es vorbei gewesen. Wäre ja nicht das erste Mal gewesen. Dann hätte Karen jetzt immer noch einen Daddy. Die Sache ist nur, er hätte das doch alles auch so haben können, Uncle Riley. Ich hätte doch sofort nachgegeben. Er hätte doch nur ein paar nette Worte sagen müssen. Aber er mochte es gern auf die harte Tour, auch wenn es gar nicht nötig war. Ich glaube, mit seinen Freundinnen ist er sanfter umgegangen, aber mich hat er immer geschlagen.«
    »Mädel, über so was sollten Sie mit mir nicht reden. Das muss ich gar nicht hörn.«
    »Er war so schon kein sonderlich guter Mensch, aber wenn er getrunken hatte, war er gemein wie eine Giftschlange.«
    »Ihr Haar ist mächtig rot«, ließ sich plötzlich Tommy vernehmen.
    »Junge, verdammt«, fuhr Uncle Riley ihn an. »Das kann Miss Sunset jetzt gar nicht brauchen, dass du von ihrem Haar redest. Geh wieder nach hinten und tu die Fische sortiern oder mach sonst was.«
    »Die sind alle gleich.«
    »Dann zähl sie, Junge.«
    »Ist schon in Ordnung, Uncle Riley. Ja, Tommy. Es ist rot. Meine Mama hat immer gesagt, rot wie der Sonnenuntergang, und darum nennen die Leute mich Sunset.«
    »Ist das denn nicht Ihr richtiger Name?«, fragte Tommy.
    »Jetzt schon. In die Familienbibel haben sie damals Carrie Lynn Beck geschrieben. Aber alle haben mich immer nur Sunset genannt. Und als ich geheiratet habe, hieß ich dann Jones.« Sunset brach in Tränen aus.
    »Setz dich jetzt dahinten hin«, befahl Uncle Riley seinem Sohn.
    »Ich hab doch nix gemacht«, maulte Tommy.
    »Junge, willst du, dass ich dir den Arsch versohl? Verschwinde endlich.«
    Tommy kletterte wieder nach hinten und setzte sich mitten in die Fische. Sie drückten sich feucht und nass gegen seine Hose, was ihm ganz und gar nicht gefiel, aber er blieb trotzdem sitzen. Er wusste, er hatte sich so weit vorgewagt, wie es gerade noch ging, und wenn er sich noch weiter vorwagte, würde sein Daddy anhalten und ihm den Hosenboden stramm ziehen, oder – schlimmer noch – er müsste eigenhändig einen Ast abbrechen, den sein Daddy dann zum Einsatz bringen würde.
    Allmählich brach die Dämmerung herein. Die Wälder zu beiden Seiten wurden lichter, und man konnte bereits das Kreischen der Sägen in der Mühle und die Geräusche von Männern, Maultieren, Ochsen, von Bäumen, die über den Boden geschleift wurden, und das Anfahren und Rattern von Holzlastwagen hören.
    »Wenn die Sie und mich sehn, das gibt ein böses Ende«, sagte Uncle Riley.
    »Das wird schon gut gehen«, entgegnete Sunset.
    »Tommy, spring vom Wagen und tu dich im Wald verstecken. Ich hol dich nachher ab.«
    Tommy ließ sich an der Seite hinabgleiten und verschwand zwischen den Bäumen.
    »Ich sorge schon dafür, dass dir nichts passiert«, sagte Sunset. »Wenn sie dir Ärger machen, können sie uns gleich beide aufhängen. Ich habe noch fünf Schuss in der Waffe.«
    »Dass die Sie und mich zusammen hängen, macht mich auch nicht glücklich, Miss Sunset. Tot ist tot.«
    »Na gut. Dann lass mich hier runter. Den Rest schaffe ich zu Fuß.«
    Uncle Riley schüttelte den Kopf. »Das sieht vielleicht noch schlechter aus. Wenn wer sieht, wie Sie vom Wagen steigen, dann kriegen die mich nachher, da wo Sie nicht ein gutes Wort für mich einlegen können. Außerdem können Sie ja kaum sitzen.«
    Sunset hob den Kopf und stellte fest, dass die Kronen der Pinien am Straßenrand vom Sturm sauber abgetrennt worden waren. Es war, als hätte der Sensenmann ihnen mit seiner Sense die Köpfe abrasiert.
    Als sie auf das Gelände des Sägewerks fuhren, sah Sunset schwitzende Männer bei der Arbeit und lehmverschmierte Maultiere, die mit klirrendem Geschirr Baumstämme zum Sägewerk zogen. Außerdem kamen lange Wagen voller
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