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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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an Bord übergeschnappt?»
    «Ich hab ihn verständigt, Sir. Er läßt Ihnen sagen, daß er momentan beschäftigt ist und daß er kommen wird, sobald es ihm möglich ist.»
    Zehn Minuten später erschien Shawe-Wilson überaus verdrossenen Angesichts im Navigationsraum.
    «Mr. Shawe-Wilson», fragte Ebbs, «wo sind Sie die ganze Zeit gewesen? »
    «Was geht das Sie an?»
    «Ich möchte Sie daran erinnern - wischen Sie sich diesen verdammten Lippenstift von Ihrem Gesicht! »
    Shawe-Wilson fuhr sich ungehalten über die Wange.
    «Mr. Shawe-Wilson, die gegenwärtige Situation ist sogar für mich zu ernst, um Ihnen die Rüge zu erteilen, die Sie in so reichem Maße verdienen. Und sicherlich erhalten werden. Die Dinge stehen so, daß Mrs. Porteous aller Wahrscheinlichkeit nach Selbstmord begangen hat, indem sie über Bord sprang. »
    «Was!»
    «Ja, Mr. Shawe-Wilson», fuhr Ebbs mit Nachdruck fort. «Ich habe mir vorgestellt, daß diese Nachricht Eindruck auf Sie machen wird. Wann haben Sie sie zum letztenmal lebend gesehen?»
    «Nun - ich habe um Mitternacht mit ihr auf dem Deck gesprochen», antwortete er mit erschreckter Miene.
    «Haben Sie - äh, miteinander gezankt?»
    Shawe-Wilson schwieg.
    «Antworten Sie!» brüllte Ebbs.
    «Na ja, wir hatten eine Art Auseinandersetzung», gab er zu.
    «Aha! Das wird vor Gericht ein schlechtes Licht auf Sie werfen, Mr. Shawe-Wilson! »
    «Mir scheint, Sie werden auch nicht allzu gut dastehen», schnappte Shawe-Wilson zurück. «Schließlich ist sie in Ihrer Kabine gewesen.»
    «Oh, das ist Ihnen bekannt, ja?»
    «Gewiß. Ich habe nur ihr zuliebe darüber geschwiegen.»
    Ebbs schneuzte sich dröhnend. «Mr. Shawe-Wilson», fuhr er fort, «heute nacht hatte ich schon genug zu überstehen. Ich bin in aller Öffentlichkeit des Diebstahls bezichtigt, im geheimen erpreßt und vor der ganzen Pole Star Line lächerlich gemacht worden, da ich wegen des Geschwätzes einiger betrunkener und mit Siphonflaschen bewaffneter Passagiere die Nerven verloren habe. Da alle diese Ereignisse mit Bestimmtheit zu meiner Entlassung von seiten der Gesellschaft führen werden, sobald der entsprechende Kabelaustausch mit London stattgefunden hat, kann ich jetzt, als kleinen Ausgleich, damit aufhören, meine Offiziere als Gentlemen zu behandeln, was ich Narr während der ganzen Fahrt getan habe. Mr. Shawe-Wilson, Sie sind ein unaussprechlich widerlicher Lump und sind nicht einmal befähigt, die Decksessel-Marken auf einem Motorboot nach Margate einzusammeln. Ich zweifle nicht im mindesten, daß es ein böses Ende mit Ihnen nehmen wird, und ich hoffe nur, daß ich eines Tages die Genugtuung haben werde, in den Sonntagsblättern darüber zu lesen. Da Sie vollkommen nutzlos für jede die Navigation und Führung eines Schiffes betreffende Arbeit sind, können Sie ebensogut hinuntergehen und sich weiter mit der armen Frau vergnügen, die Sie ohne Zweifel dort versteckt halten.»
    «Hören Sie mal -»
    «Das wäre alles, Mr. Shawe-Wilson.»
    «Ich dulde nicht, daß der Kapitän eines drittklassigen Frachters so zu mir spricht! »
    «Quartermeister! Führen Sie Mr. Shawe-Wilson von der Brücke!» Ebbs schneuzte sich abermals. «Gute Nacht, Mr. Shawe-Wilson.» Schließlich, dachte er, hatte es doch auch seine guten Seiten, wenn man hinausgefeuert wurde.
    Mrs. Porteous blieb unauffindbar.
    «Na schön», sagte Ebbs mit Festigkeit. «Da müssen wir Gegenkurs nehmen. Mr. Brickwood!»
    «Sir?»
    «Teilen Sie bitte dem Funker unsere Position mit, und beauftragen Sie ihn, sich mit allen in der Nähe befindlichen Schiffen in Verbindung zu setzen, sie mögen nach einer Nonne Ausschau halten.»
    Die Charlemagne fuhr in einem Bogen zurück, ein Sondertrupp von Beobachtern klapperte eilig die Leitern an der Back hinab, und Ebbs schritt schweigend auf der Brücke hin und her, wobei er immer dringlicher die Frage aufwarf, ob er Mrs. Porteous über die Reling folgen sollte. Düster beobachteten die Offiziere die schwarzen Wasser jenseits des schmalen Streifens der Bugwelle. Jedermann auf der Brücke wußte, daß die Suche hoffnungslos war und nur mit Rücksicht auf das Logbuch und das Strafgericht durchgeführt wurde, denn zu dieser Stunde lag Mrs. Porteous bereits sicherlich im Magen eines zufriedenen Hais.

    Vor Tagesanbruch sagte Ebbs erschöpft zu Brickwood: «Ich gehe mich jetzt niederlegen. Ich glaube, für heute hab ich mehr als genug.»
    «Sehr wohl, Sir.»
    «Nehmen Sie in einer halben Stunde wieder Kurs auf. Rufen Sie
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