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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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Aufsichtsposten bei einer Reihe von Badehütten. Doch da überfiel ihn plötzlich ein kalter und zugleich trostvoller Schauer, als er sich erinnerte, daß er infolge seiner Verhaftung wohl für etliche Jahre der Sorgen um einen Posten enthoben sein würde.
    Jemand klopfte an die Tür.
    «Ja, Mr. Jay?» sagte er abweisend.
    «Es - es tut mir schrecklich leid, Sir, daß ich Sie belästigen muß... daß ich Sie belästigen muß. Schrecklich leid, Sir.»
    Jay stand wie festgenagelt an der Tür, die Mütze unterm Arm flachgepreßt, die linke große Zehe mit Hilfe der rechten Ferse in den Boden bohrend.
    «Sehen Sie, Sir... Ja also, Sir... Ich hab mir gedacht-»
    «Was ist los, Mensch? Reden Sie doch!»
    «Ich hab - sozusagen - den Entschluß gefaßt, mich zu verheiraten, Sir», erklärte Jay, starr vor sich hin blickend. «Und da dachte ich mir, Sir, da Sie gerade im Moment nichts anderes zu tun haben, daß Sie -sozusagen - die Trauungszeremonie vollziehen könnten, Sir -» Er machte mit einem gellenden Schrei einen Satz nach rückwärts, als Ebbs das Tintenfaß auf ihn schleuderte, und eilte ins Offiziersklosett, wo er sich einsperrte.
    Ebbs setzte seinen Brief mit Bleistift fort. Als er anderthalb Seiten vollgeschrieben hatte, klopfte es zum zweitenmal an die Tür.
    «Draußen bleiben! »
    «... ich versichere Ihnen, Sir, mein größtes Vergehen bestand nur darin, daß ich meinem Mitarbeiterstab zu großes Vertrauen schenkte», schrieb er und starrte niedergeschlagen auf das Papier.
    Es klopfte abermals.
    «Ja, ja! Was ist denn, zum Teufel, jetzt wieder los?»
    Willy Boast stand auf der Schwelle. Sein Gesicht war bleich, seine Hand zitterte auf der Türklinke. Er tat den Mund auf, versuchte zu sprechen und stolperte in die Kabine.
    «Mann über Bord! » japste er endlich.
    «Sie sind ja besoffen!»
    «Nein, nein! Zumindest nicht stark. Jemand ist über Bord gegangen - die Dame von Ihrem Tisch.»
    «Gott im Himmel! Mrs. Judd!» Eine Sekunde lang schwebte es Ebbs vor, sie hätte eine den örtlichen Umständen angemessene Form des indischen Witwentodes gewählt.
    «Nein, nein. Die andre. Mrs. Porteous.» Willy Boast ließ sich in einen Stuhl fallen und verbarg das Haupt in den Händen. «Ich hab alles mitangesehn - alles! Wegen dieses Rummels an der Bar könnt ich zu keinem Drink kommen. Da ging ich an Deck. Sie stand an der Reling und weinte sich die Augen aus. Die arme Kleine!»
    «Sie weinte?» Ebbs hatte das Gefühl, daß Mrs. Porteous' Seele wohl ein schwerer Schlag versetzt worden sein mußte, damit sie Tränen vergießen konnte.
    Willy Boast nickte, und zwei große mitfühlende Tränen tropften auf das Rücktrittsgesuch. «Sie trug ein Nonnengewand.»
    Ebbs wurde plötzlich von Unruhe erfaßt.
    «Sie sagte... sie sagte, daß ihr Herz gebrochen sei. Sie wolle sich in die Tiefe des Meeres stürzen. Das waren ihre letzten Worte. Als ich zurückkam, war sie fort. Fort.»
    Wieder klopfte es an die Tür. Der dicke Quartermeister stand mit der Haube und dem Umhang einer Nonne davor.
    «Höher geht's schon nicht mehr, verdammt noch mal!» rief Ebbs. Sein erster Gedanke war gewesen, daß es eine typische Rücksichtslosigkeit Mrs. Porteous' war, Selbstmord zu einem Zeitpunkt zu begehen, da er schon so viel auf dem Kerbholz hatte. «Na schön, da müssen wir wohl das Schiff durchsuchen», sagte er, instinktiv eine rasche Entscheidung treffend. «Noch bin ich Kapitän, noch habe ich gegen jedermann an Bord meine Pflicht zu erfüllen.» Er warf den Bleistift zur Seite, erhob sich und griff nach seiner Mütze. «Begleiten Sie mich auf die Brücke, Mr. Boast. »
    «Sie haben nicht zufällig ein Schlückchen bei der Hand, nein?»
    «Gewiß nicht. Quartermeister - holen Sie bitte den Ersten Offizier.»
    «Ay ay, Sir.»
    Im Navigationsraum angekommen, ließ Boast seinen Kopf auf den Tisch sinken und begann zu schnarchen. Mrs. Porteous' Kabine hatte sich als leer erwiesen, ihr schwarzes Nylonnachthemd lag noch immer fein säuberlich zurechtgefaltet auf der zurückgeschlagenen Bettdecke. Nunmehr war Ebbs doch soweit beunruhigt, daß er im Unterschiff Wache aufstellen ließ und Brickwood und Bowles beauftragte, die Charlemagne zu durchsuchen.
    «Und wo, zum Teufel», sagte er, «befindet sich der verdammte Erste Offizier? »
    «In seiner Kabine, Sir», sagte der Quartermeister.
    «Warum haben Sie ihm dann nicht, zum Teufel, meine Botschaft ausgerichtet? Hab ich denn heute nacht nicht schon genug Scherereien gehabt? Ist denn jeder Mann
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