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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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Posten gefeuert zu werden.
    Ebbs war ein großer, knochiger, sanftäugiger Mann mit umständlichen Gebärden und tölpischem Gang - das Zerrbild der konventionellen Vorstellung eines Schiffskapitäns; jetzt gar schien er soviel Würde zu besitzen wie ein unterbezahlter Lehrer bei Schulschluß. Als er das Gebäude betrat, nahm er respektvoll seinen triefenden Schlapphut ab, der durch langes Herumliegen in der Meeresluft formlos und von hunderterlei Insekten angeknabbert worden war, die man in englischen Kleiderablagen nicht kannte, und enthüllte unter seinem Regenmantel einen braunen Tweedanzug, der offenbar noch vor kurzem zur Aufbewahrung von Kartoffeln gedient hatte.
    «Sir Angus wartet schon den ganzen Nachmittag auf Sie, Kapitän! » sagte das Mädchen drinnen, dem er seinen Besuch anmeldete.
    «Ich bin leider am Dock aufgehalten worden. Wie ist er denn heute?» fragte er, als würde er sich danach erkundigen, ob das Messer schon geschliffen sei.
    «Er scheint recht übler Laune zu sein, Sir.»
    Hastig die Möglichkeiten einer Verwendung an Land erwägend, folgte Ebbs ihr in den Raum, in dem der Präsident der Pole Star Line inmitten des Teakholzes und der Traditionen seiner ehemaligen Schiffe saß.
    Die Pole-Star-Gesellschaft war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem rotbärtigen Kapitän der Orkney-Inseln namens Andrew McWhirrey gegründet worden; vierzig Jahre hindurch hatte er sich unter Gebrüll längs der chinesischen Küste seinen Weg gebahnt und war schließlich dadurch in ein Vermögen hineingesegelt, daß er sich nicht allzu viele Gedanken darüber machte, Mannschaft und Schiffe zu Tode zu strapazieren. Er war ein frommer Seemann, der seine eigenen Bedürfnisse so weit herunterschraubte, daß er sich nur bei Sonnenuntergang ein Tabakspfeifchen genehmigte, und er trug eine Bibel unterm Arm, als wäre sie das Fernrohr. «Die Ernte ist zwar groß, aber der Arbeiter sind wenige», pflegte er einem müßigen Matrosen zuzurufen, indem er ihn mit einem Fußtritt kopfüber ins Speigatt beförderte; «Enthalte dich der Fleischeslüste, denn sie bedrängen deine Seele» einem betrunkenen Bos'n, indem er ihn über die Reling des Hecks schmiß. Trinken und Würfeln waren auf seinem Schiff verboten, und allsonntäglich wurde die gesamte Besatzung nach achtern zum Gottesdienst kommandiert; seine Stimme eignete sich prächtig zum Vorlesen der Gebete, und es hieß, daß niemand besser als er eine Bestattung zur See zelebrieren konnte.
    Das gegenwärtige Oberhaupt der Gesellschaft stellte eine gemilderte Auflage des alten Andrew dar, dessen Bildnis bissig von der Wand herunterblickte. Die feurige Mähne war auf ein flaumiges Gehege beiderseits eines rosa Schädels reduziert, die Augen, die einst Horizonte zu durchbohren pflegten, waren durch eine Brille abgeschwächt, und die Stimme, die mörderische Flüche gegen die Back brüllte, im Telefon höflich moduliert worden. Doch Angus McWhirrey war ein ebenso schwieriger Reeder wie sein Urgroßvater. Da es nicht mehr anging, Belegnagel oder Stiefel strafend einzusetzen, karnüffelte er seine Untergebenen tagtäglich in Form von vertraulich gehaltenen Memoranden, mit denen er Beförderungen unterband und mißliebige Personen auf den veralteten Frachtern der Gesellschaft festnagelte, bis sie durch Erreichung des Ruhestandsalters oder Hitzschlag erledigt wurden.
    Einige Sekunden lang starrte McWhirrey Ebbs mit jenem Blick an, mit dem sein Vorfahr pflichtvergessene Angehörige der Besatzung gemessen hatte, während er bestimmte, ob sie am Großmast ausgepeitscht oder ihre Gesichter mit kochendem Pech beschmiert werden sollten.
    «Nehmen Sie Platz, Kapitän», sagte er dann ruhig.
    Ebbs ließ sich folgsam auf der Kante eines Sessels nieder.
    «Ihr Bericht aus Aden», fuhr McWhirrey fort, «enthält viele interessante Stellen. Besonders beeindruckt bin ich von folgender Bemerkung...» Er suchte sie auf dem Wisch. «    Ebbs fühlte, wie der Regen auf seinem Kragen seinen Nacken
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