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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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nur drei hatte, dann zum Ersten auf einem Frachter, der nur Fleisch, jedoch keine Passagiere transportierte, und schließlich zum Kapitän auf der Martin Luther, in deren glühendheißem Rumpf seine Ambitionen so rasch verdorrten, daß er nur noch ein Kommando auf irgendeinem Schiff anstrebte, das so etwas wie ein Steuer besaß.
    Ebbs erklomm eilig den langen Laufsteg zum Achterdeck der Charlemagne.
    «Guten Morgen», begrüßte er oben den dicken Quartermeister. «Ich bin der Kapitän.»
    «Nöh, das sind Sie nicht», sagte dieser zurückhaltend. «Der Kapitän ist krank. »
    «Der neue Kapitän», erklärte Ebbs.
    Der Mann raffte sich zu einem trägen Salutieren auf.
    «Ist der Erste Offizier an Bord?»
    Der Quartermeister verdrehte die Augen. «Der Erste Offizier, Sir? Nein, Sir. Der ist nicht an Bord, Sir. Der ist auf Urlaub.»
    «Na schön, und was ist mit dem Zweiten?»
    «Ah, von dem weiß ich, wo er ist. An Land, beim Zahnarzt. Der Zahlmeister ist bei der Zollbehörde, der Obersteward ist unten in
    der Verpflegungsabteilung, der Arzt zeigt sich gewöhnlich erst am Abfahrtstag, und der Chief liegt mit einer schweren Erkältung zu Bett. Hat befohlen, ihn nicht zu stören, Sir.»
    «Wer hat heute Dienst?» fragte Ebbs scharf.
    «Der Vierte, Sir. Er ist unten im Einser-Raum.»
    «Schön. Bleiben Sie hier, und überwachen Sie das Einschiffen meines Gepäcks. Da ich also gezwungen bin, mich allein in mein Quartier zu begeben, tu ich's jetzt.»
    «Werden Sie auch den Weg finden, Sir?»
    «Für den Seemann sind alle Schiffe gleich, Quartermeister», erklärte Ebbs ihm feierlich. «Sie schwimmen auf dem Wasser, enthalten Maschinen und bieten ihm Kost und Quartier. Nur die Leute auf ihnen sind verschieden. Wollen Sie sich das bitte merken.»
    Er stelzte nach vorne und hielt den Hut fest, während sein Regenmantel im kalten, leicht mit Schneeflocken untermengten Wind, der von der Themsemündung blies, ihm heftig gegen die Beine klatschte.
    Die Charlemagne war einer der kleineren Passagierdampfer der Pole Star Line. Sie war zur Beförderung von sechshundert Passagieren bestimmt und streng nach dem modernen Grundsatz konstruiert, soviel Konventionen des Schiffbaus als möglich ins Gesicht zu schlagen. An der Gestalt seines Rumpfes konnte nichts geändert werden, denn das Modell Cutty Sark 1 bedarf noch gewisser Korrekturen; doch die Schornsteine, deren Anzahl noch in den dreißiger Jahren die Kapazität eines Schiffes angezeigt hatten, waren zu einem einzigen Stumpf verstümmelt, die schlaffen Ventilatoren von den Decks entfernt und die Masten auf einen einsamen Spieß, der über die Brücke emporragte, reduziert worden. Die Salons der ersten Klasse betonten die moderne Ausdrucksform noch mehr, indem sie so taten, als sei der Ozean etwas Schändliches, das vor den Passagieren soviel als möglich versteckt werden mußte; sie waren von einem liebenswürdigen jungen Mann ausgestattet worden, der in haarigem Tweed und dickgeripptem Cord herumlief und von der See nicht mehr kannte, als er von der Hintergalerie des Vergnügungsdampfers The Prospect of Whitby gesehen hatte. Die Charlemagne führte auch Touristenklasse; die Unterkünfte befanden sich heckwärts am unteren Ende einer schmalen Kajütentreppe. Der Abstieg auf ihr übte auf einen Passagier, der seine Kabine suchte, eine ähnlich entmutigende Wirkung aus wie der Aufstieg auf die Galerie eines Londoner Theaters: die pastellfarbigen Tönungen wurden allmählich härter, der elastische Bodenbelag wandelte sich in knarrendes Linoleum, die Lichter starrten schmerzhaft durch dickes ordinäres Glas, und die Meeresbrise, die von den Konstrukteuren bedachtsam in die Staatsgemächer der ersten Klasse gelenkt worden war, wurde abwechselnd von den Gerüchen heißen Heizöls aus dem Maschinenraum und heißen Fetts aus der Schiffsküche abgelöst.
    Ebbs warf durchbohrende Blicke auf die Zigarettenpackungen, Zeitungsfetzen, abgebrannten Streichhölzchen und leeren Bierflaschen, die die Hafenarbeiter überall liegengelassen hatten, so daß die Decks wie die Tribünen nach einem Sonnabend-Fußballmatch aussahen. Er hatte, von seiner eigenen Person abgesehen, ein scharfes Auge für Schlampereien und stellte bereits Anordnungen für die Säuberung des Schiffs zusammen, als er bei der Türe anlangte, die würdevoll ein Messingschild mit der Aufschrift Kapitän trug.
    Er schritt über das Türensüll und besah sich seine neuen Räumlichkeiten. Auf der Martin Luther hatte er in einem grün
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