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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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gestrichenen Winkel aus Stahl gehaust, der zwischen dem Kreiselkompaß und dem Kasten, in dem das Ölzeug der Offiziere aufbewahrt wurde, lag; doch das Kommando der Charlemagne sprach ihm eine Tageskabine zu, die mit poliertem Holz und dicken Teppichen ausgestattet war und bequem seine gesamte frühere Besatzung beherbergt hätte. Sich erinnernd, daß er das Gemach eines Kranken betrat, setzte er eine pietätvolle Miene auf; die verschwand jedoch, als er in seine Nachtkabine schritt, in der für ihn ein Doppelbett mit einer rosaseidenen Steppdecke bereitstand. Mit Befriedigung ließ er sich mehrmals auf ihm emporschnellen; dann ging er in den Baderaum und probierte spielerisch alle Hähne aus. Wieder in die Tageskabine zurückgekehrt, stellte er sich in die Mitte des Raums und besah sich fröhlich die Einrichtung. Die Gesellschaft war bei der Ausstattung der Kabine in erster Linie auf die Unterhaltung der Passagiere bedacht gewesen und hatte ihr daher das Aussehen eines Teesalons in einem Hotel verliehen. Außer einem Schreibtisch, der so groß wie der McWhirreys war, gab es da zwei rosa Sofas, mehrere rosa- und goldfarbene Lehnstühle und Rauchtischchen, ein paar Lampen mit rosa Schirmen, drei Uhren mit rosa Zifferblättern, rosageblümte Vorhänge vor den Bullaugen, rosagerahmte Bilder an den Schotten und einen offenen Kamin, in dem ein paar unverbrennbare Scheite in einer rosafarbenen elektrischen Dauerglut erglommen. In einer Ecke befand sich ein rosagoldener Schrein, den Ebbs fälschlich für eine Kleiderablage ansah; als er ihn öffnete, fand er ihn voll von Gläsern, Flaschen und Cocktail-Shakers. Er mußte plötzlich lachen: nach seinem täglichen Kampf mit der Martin Luther um ein bißchen Behaglichkeit glitzerte der hier auf die Spitze getriebene Luxus geradezu lächerlich.
    Er hörte, wie jemand hinter ihm hustete.
    «Ah, der Zahlmeister!» Ebbs erkannte seinen Besucher an den weißen Borten auf den Manschetten.
    «Guten Morgen, Sir. Mein Name ist Prittlewell. Herbert Prittlewell. Ich hoffe, Sie sind mit Ihrer Kabine zufrieden?»
    «Ausnehmend, danke sehr.»
    «Ich ließ die Besitztümer Ihres Vorgängers entfernen, sobald ich von seiner Erkrankung hörte, Sir. »
    «Wirklich eine sehr traurige Geschichte», sagte Ebbs und wurde wieder feierlich. «Ich habe ihm - äh, selbstverständlich ein paar Blumen, Trauben und so weiter schicken lassen.»
    «Selbstverständlich, Sir.»
    Prittlewell musterte Ebbs voll Erfahrung. Als Leiter des Hotelbetriebes auf der Charlemagne verbrachte er sein Leben damit, Leute zu taxieren, indem er diejenigen, die wirklich bedeutend, wohlhabend, anständig oder verheiratet waren, von jenen sonderte, die sich die Isolierung auf See zunutze machten, all dies vorzutäuschen. Er war ein großer, grauhaariger, hübscher Mensch, trug ein Monokel wie ein Admiral auf einer Witzzeichnung und besaß angenehme Manieren, die ganz gut in Dartmouth, einer älteren Internatsschule oder zumindest in South Kensington entfaltet worden sein konnten. Doch Prittlewell hatte an keinem dieser Orte geweilt. Seine Laufbahn hatte er mit vierzehn Jahren als Botenjunge auf einem Passagierschiff der Pole Star Line begonnen, wo er bald herausfand, daß Pakete mit Seife, Butter, Tee und Eßbestecken gefahrlos in einem ausgeweideten Exemplar einer Missionsbibel hinausgeschmuggelt und recht gewinnbringend an die Nachbarn in seinem Heimatort Stepney verkauft werden konnten. Dank seiner Aufgeschlossenheit hatte er rasch die unteren Steward-Ränge durchlaufen, doch, unbefriedigt von solcherlei trivialen Mausereien, hatte er sich hingesetzt und sich Buchhaltungskenntnisse, gute Manieren und den gewissen Offiziersmessenton zugelegt, um jene stillschweigenden zwölf Prozent Provision und jene Zuwendungen für diskrete Gefälligkeiten, die dem Zahlmeister eines Überseeriesen Ansehen und Profit einbringen, an sich zu reißen.
    «Ich habe Ihr Gepäck heraufschaffen lassen, Sir», sagte er, als zwei Stewards mit dem brotlaibartigen Lederkoffer und einem Dutzend in Papier eingeschlagener Pakete, in denen Ebbs seine Habseligkeiten transportierte, hereinstolperten.
    «Danke sehr, Zahlmeister.»
    «Das ist Ihr erstes Kommando auf einem Passagierschiff, nicht wahr, Sir?» Prittlewell hatte schärfer als die anderen an Bord über Ebbs' Machtergreifung auf der Charlemagne nachgedacht, da sein Einkommen in hohem Maße davon abhing, die Augen des Kapitäns von seinen Verrechnungsbüchern fernzuhalten.
    «Ich sehe wirklich nicht
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