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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung
Autoren: Mary Balogh
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Kapitel 1
    Ungeachtet der
frühen Stunde und des nasskalten Wetters war der Hof des White Horse Inn an der
Londoner Fetter Lane voller Menschen und lärmerfüllt. Für die tägliche Fahrt
der Kutsche in Richtung Westen wurden die letzten Vorkehrungen getroffen. Erst
wenige Reisende waren eingestiegen; die meisten liefen besorgt umher und
wachten darüber, dass ihr Gepäck ordentlich verstaut wurde. Straßenhändler
versuchten ihre Waren bei den Reisenden an den Mann zu bringen, denen ein
langer und anstrengender Tag bevorstand. Pferdeknechte gingen geschäftig ihren
Aufgaben nach. Kinder in zerlumpten Kleidern jagten über den Hof und hatten
ihren Spaß an dem allgemeinen Trubel, wenn sie nicht gerade auf die Straße
zurückgescheucht wurden.
    Der
Postillion blies in sein Horn; das ohrenbetäubende Signal zeigte an, dass die
Kutsche in wenigen Minuten abfahren würde und dass jeder mit einem gültigen
Fahrschein gut daran tat, nun einzusteigen.
    Captain
Gordon Harris, eine stattliche Erscheinung in seiner grünen Uniform des 95.
Schützen-Regimentes, und seine junge, in warme und zugleich modische
Kleider gehüllte Frau, sahen in solch uneleganter Umgebung ein wenig
deplatziert aus. Sie gehörten selbst nicht zu den Reisenden, sondern hatten nur
eine Frau zum White Horse begleitet, wo sie die Kutsche nehmen würde.
    Ihr
Erscheinungsbild unterschied sich deutlich von dem der Harris. Obwohl sie
sauber und gepflegt war, machte sie doch einen unbestreitbar ärmlichen
Eindruck. Sie trug ein schlichtes, hochtailliertes Baumwollkleid und einen
Schal gegen die Kälte. Beide Kleidungsstücke sahen abgetragen und verwaschen
aus. Ihr Hut, der vielleicht einmal adrett gewesen sein mochte, wenn auch nie
besonders modisch, hatte ganz offensichtlich einen Regenguss zu viel hinter
sich. Die breite Krempe hing schlaff und unförmig herab. Die Frau musste noch
jung an Jahren sein - tatsächlich war sie so klein und zierlich, dass man
sie auf den ersten Blick fälschlicherweise für ein Mädchen halten konnte. Aber
sie hatte etwas an sich, was einige der Männer, die auf dem Hof ihren
verschiedenen Aufgaben nachgingen, ein zweites Mal den Kopf heben und genauer
hinsehen ließ. Sie besaß Schönheit und Grazie, und eine undefinierbare Aura von
Weiblichkeit umgab sie, die bewies, dass sie in der Tat kein Mädchen mehr war.
    »Ich
muss jetzt einsteigen«, sagte sie lächelnd zum Captain und seiner Frau. »Ihr
braucht nicht zu warten. Es ist zu kalt, um hier herumzustehen.« Sie reichte
Mrs. Harris ihre zierlichen Hände, während sie die beiden abwechselnd ansah.
»Wie kann ich euch nur jemals für all das danken, was ihr für mich getan habt?«
    Mrs.
Harris traten Tränen in die Augen und sie schloss die junge Frau herzlich in
die Arme. »Wir haben nichts Besonderes getan«, sagte sie. »Und jetzt überlassen
wir dich hier der billigsten aller Kutschen, wo du doch viel angenehmer mit
einer Reisekutsche hättest fahren können oder schlimmstenfalls mit der
Postkutsche.«
    »Ich
habe mir schon genug von euch geborgt«, sagte die junge Frau, »auch ohne mich
überflüssigen Extravaganzen hinzugeben.«
    »Geborgt.« Mrs.
Harris zog ein spitzenbesetztes Taschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte
sich damit die Augen.
    »Es ist
noch immer nicht zu spät, deine Pläne zu ändern, das weißt du.« Captain Harris
ergriff die Hand der jungen Frau. »Komm wieder zurück ins Hotel und frühstücke
mit uns und ich werde noch vor dem Frühstück diesen Brief schreiben und
abschicken. Ich bin sicher, innerhalb einer Woche haben wir eine Antwort.«
    »Nein,
Sir«, entgegnete sie ihm entschlossen, jedoch mit einem Lächeln. »Ich kann
nicht warten. Ich muss fort.«
    Er
unternahm keinen weiteren Versuch, sie umzustimmen, sondern seufzte, tätschelte
ihre Hand und umarmte sie dann ebenso bewegt, wie es seine Frau getan hatte.
Sie musste sich beeilen, wollte sie nicht ihren Platz in der Kutsche verlieren,
auf dem er so unerbittlich bestanden hatte. Er hatte sogar dem Kutscher ein
Trinkgeld gegeben, um ihr für die lange Reise nach Upper Newbury in Dorsetshire
einen Fensterplatz zu reservieren. Doch eine stattliche Frau, die aussah, als
würde sie es mit jedem Kutscher oder Captain oder auch mit beiden gleichzeitig
aufnehmen, wenn sie es wagen sollten, ihr in die Quere zu kommen, machte es
sich bereits auf dem einzigen noch freien Fensterplatz bequem.
    Die
junge Frau musste sich auf einen Platz in der Mitte quetschen. Doch sie schien
die Wut des Captains
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