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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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er nur noch mit möglichst nobler Haltung seiner Bestrafung entgegenzusehen. Als Kapitän eines Passagierdampfers hatte er katastrophal versagt. Binnen einer Stunde nach dem Einlangen von Brosters unabwendbarem Kabel würde ein anderes unterwegs sein, um ihm mitzuteilen, daß man seiner Dienste nicht mehr bedürfe; und binnen weniger Minuten nach seiner Ankunft in Tilbury würde er, mit Handschellen an einen Polizisten gekettet, in den Grünen Heinrich gesteckt, ins Old Bailey geschafft und wegen Veruntreuung verurteilt werden.
    «Schluß mit dem Kapitän Ebbs!» seufzte er. Ach, wie verzweifelt wünschte er sich, er wäre auf der heimeligen Martin Luther geblieben!
    Er blickte auf und sah, daß Burtweed mit einem Tablett auf der Schwelle stand.
    «Ich hab Ihnen ein bißchen was zu essen gebracht, Sir», sagte er sanft.
    «Sehr freundlich von Ihnen, Burtweed. Ich hab aber leider gar keinen Appetit. »
    «Ich soll Ihnen auch von der gnädigen Frau was ausrichten, Sir. Sie möchte wissen, ob Sie sie zu sehen wünschen.»
    Ebbs schüttelte den Kopf. «Sagen Sie ihr bitte... daß ich ihre Anfrage zu schätzen weiß. Aber ich möchte gerade jetzt lieber allein sein. Ich werde trachten, sie morgen früh zu sehen. Um mich von ihr zu verabschieden», fügte er hinzu. Was für einen Sinn hatte es noch, ihr andere Dinge zu sagen, wenn er nichts zu bieten hatte als seine Ketten?
    «Sehr wohl, Sir», sprach Burtweed begütigend.
    «Das ist wohl ein einigermaßen unglückseliger Abend gewesen», fuhr Ebbs zerknirscht fort. «Ich hab mich wie ein regelrechter Narr benommen. Daß ich derart die Fassung verlieren konnte!»
    «Es tut mir schrecklich leid, Sir. Ganz schrecklich leid. Niemand tät mir in so einer Sackgasse mehr leid als Sie, Sir. Ehrlich, Sir.»
    «Es mußte wohl früher oder später soweit kommen. Irgendwo ist jedem eine Grenze gezogen, Burtweed.»
    «Kann ich irgendwas für Sie tun, Sir? Ihnen irgendwie helfen?»
    «Es ist sehr leicht möglich, daß Sie in Fremantle meine paar Habseligkeiten packen müssen. Morgen um diese Zeit könnte ich schon ganz gut meines Kommandos enthoben sein. Mr. Shawe-Wilson, der vermutlich zumindest ehrlich ist, wird zweifellos in diese Kabine einziehen. Und ich -» Ebbs schlug die Augen nieder. «Ich werde mit Schande bedeckt heimgeschickt.»
    «Nein, Sir! Nie und nimmer!»
    «Etwas Besseres verdiene ich nicht.» Er nahm seine züchtige Seejungfer in die Hand und schob sie langsam auf dem Schreibtisch hin und her. «Ich hoffe, Burtweed, daß ich wenigstens Ihnen ein guter und gerechter Kapitän gewesen bin?»
    «Hab nie einen bessern gehabt, Sir! »
    «Ich danke Ihnen, Burtweed. Solche Worte werden manchmal zur rechten Stunde gesprochen. Ich werde dazusehn, daß Ihre Dienste der Gesellschaft entsprechend empfohlen werden. Wenn auch, wie ich fürchte, meine Empfehlung nicht sehr viel zu bedeuten hat.»
    «Darf ich -» Burtweed biß sich auf die Lippen. «Darf ich Ihnen meine besten Segenswünsche aussprechen, Sir? Mit dem größten Respekt, Sir?»
    «Danke, Burtweed.»
    Sie schüttelten einander feierlich die Hände.
    «Und - es tut mir so leid, Sir, daß ich ungehalten war. Wegen der gnädigen Frau, Sir.»
    «Vergeben und vergessen», sagte Ebbs mit der Abgeklärtheit eines vollendeten Märtyrers.
    «Danke, Sir. Ich wußte, daß Sie mich verstehen würden, Sir.»
    «Nun muß ich aber, Burtweed, noch einige Dinge in Ordnung bringen. Es steht mir - äh, noch mancherlei Schweres bevor.»
    «Gute Nacht, Sir.»
    «Gute Nacht, Burtweed.»
    Als Ebbs allein war, zog er einen Boden Schiffsbriefpapier aus seiner Schreibtischlade, tauchte die Feder in sein Hufeisen-Tintenfaß und begann einen Brief zu konzipieren.
    «Sehr verehrter Sir Angus», schrieb er. «Ich sehe mich zu meinem größten Bedauern genötigt, bei der Pole Star Line um meinen Rücktritt einzukommen...»
    Ein paar Minuten sah er sich die Worte an, dann fügte er hinzu: «... gemäß Ihrem dringenden Kabel heutigen Datums.»
    Er machte eine Pause und starrte düster auf seine Federspitze. Er fragte sich, womit er seinen Lebensunterhalt an Land bestreiten würde. Er war nun zweiundvierzig Jahre alt und verfügte über keinerlei Kenntnisse, außer der, große Schiffe rund um die Weltmeere zu lenken. Er versuchte sich die gegenwärtigen Beschäftigungen anderer vom Pech verfolgter Kapitäne ins Gedächtnis zu rufen: der eine war Hafenwärter geworden, ein zweiter hausierte mit Schuhwichse, und ein dritter versah eine Art
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