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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße
Autoren: Philip K. Dick
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wo sein Herz war, und es dann einfach anzuschalten. Die Nadel hätte ihn in Sekundenschnelle getötet. Er hatte wieder und wieder daran gedacht, auf diese Weise seinem sinnlosen Leben endlich ein Ende zu setzen.
    Aber nun war da dieser seltsame Brief. Wie hatte diese Person – oder diese Personen – von ihm erfahren? Um Kundschaft zu bekommen, ließ er schon seit langer Zeit eine Anzeige im Keramikerfachblatt laufen, die ihm im Laufe der Jahre immer wieder ein paar Aufträge eingebracht hatte, bis endgültig nichts mehr gekommen war. Aber nun dieser merkwürdige Brief!
    Er nahm den Hörer seines Telefons ab, wählte eine Nummer und wartete einige Sekunden. Seine Ex-Ehefrau Kate schaute ihn mit einem harten Gesichtsausdruck an.
    »Hallo Kate«, rief er mit freundlicher Stimme in die Muschel.
    »Wo ist die Unterhaltszahlung für den letzten Monat?« fragte Kate.
    »Bei mir bahnt sich etwas an«, antwortete Joe. »Ich werde alle rückständigen Unterhaltszahlungen begleichen, wenn dieser –«
    »Dieser was?« unterbrach ihn Kate. »Hast du dir etwa schon wieder eine deiner blödsinnigen Schnapsideen aus den hintersten Winkeln deines Hirns gesaugt?«
    »Ein Brief«, sagte er einfach. »Ich habe einen Brief bekommen. Ich möchte ihn dir vorlesen. Vielleicht kannst du mehr aus ihm herauslesen als ich.« Seine frühere Frau verfügte über einen schnell arbeitenden Verstand. Er hatte sie oft genug deswegen gehaßt. Er hatte sie aus vielen anderen Gründen gehaßt, aber besonders eben wegen ihres Intellekts, von dem er noch heute, ein Jahr nach ihrer Scheidung, in gewisser Weise abhängig war. Merkwürdig, dachte er, daß man eine Person hassen konnte, sie nie wieder sehen wollte, und man sie gleichzeitig doch aufsuchte, um sie um Rat zu fragen. Das war irrational. Oder war es eine Art von Superrationalität, wenn man sich über Haß einfach hinwegsetzte?
    War nicht der Haß selbst irrational? Eigentlich hatte Kate ihm nie etwas getan, außer, daß sie ihm ständig in eindringlicher Weise die Tatsache ins Bewußtsein gerufen hatte, daß er unfähig sei, Geld ins Haus zu bringen. Sie hatte ihm beigebracht, sich selbst zu verwünschen, und als sie das geschafft hatte, hatte sie ihn verlassen.
    Und nun rief er sie an und bat sie um ihre Hilfe!
    Er las ihr den Brief vor.
    »Offensichtlich etwas Illegales«, sagte Kate, »aber du weißt ja, daß deine geschäftlichen Angelegenheiten mich nicht interessieren. Du mußt schon selbst mit der Sache zurechtkommen. Frag doch die Frau, mit der du momentan schläfst. Wahrscheinlich hast du ja wieder irgendein achtzehnjähriges Mädchen, das mit dir verkehrt, weil ihm die Erfahrung und die Vergleichsmöglichkeiten einer reiferen Frau fehlen.«
    »Was meinst du mit ›illegal‹?« fragte Joe erstaunt. »Wie kann denn ein Keramiktopf illegal sein?«
    »Nun, wahrscheinlich ein pornografischer Topf. Die Chinesen haben solche Töpfe während des Krieges hergestellt.«
    »Ach du lieber Himmel«, seufzte Joe. An so etwas hatte er nicht gedacht. Aber wer außer Kate wäre auch schon darauf gekommen? Er erinnerte sich, daß sie eine Art unzüchtiges Interesse für den einen oder die zwei Töpfe dieser Art, mit denen er irgendwann einmal zu tun gehabt hatte, gezeigt hatte.
    »Rufe besser die Polizei an«, machte sich Kate wieder bemerkbar.
    »Ich –«
    »Hast du sonst noch irgendwelche Wünsche?« unterbrach sie ihn wieder. »Jetzt hast du sowieso mein Abendessen und das meiner Gäste gestört.«
    »Kann ich rüberkommen?« fragte er; die Einsamkeit kroch langsam in ihm hoch und färbte seine Stimme mit der Furcht, die Kate immer bei ihm entdeckt hatte: die Furcht, daß sie sich wieder in ihre undurchdringliche Festung zurückziehen würde, die Festung ihrer eigenen Gedanken und ihres Körpers, aus der sie dann ein oder zweimal zuzuschlagen wagte, um dann wieder darin zu verschwinden, eine ausdruckslose Maske zurücklassend, die ihn anlächelte. Unter dieser Maske benutzte sie dann seine Fehler, um ihn zu verletzen.
    »Nein!« antwortete Kate.
    »Warum nicht?«
    »Weil du nichts zu bieten hast, was die Diskussion bereichern könnte. Wie du selbst oft genug gesagt hast, liegt deine Begabung in deinen Händen. Oder hast du etwa vor, herüberzukommen, eine meiner Tassen, vielleicht eine meiner Royal-Albert-Tassen, zu zerbrechen und sie dann wieder zu reparieren, als so etwas wie eine magische Beschwörung, die alle in schallendes Gelächter ausbrechen lassen soll?«
    »Ich kann durchaus etwas mit
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